Warum Krieg?
Seit spätestens 24. Februar 2022, dem Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, ist das Thema Krieg dauerhaft präsent – in den Medien, in Gedanken und Gesprächen, im realen Alltag in den Kriegsgebieten bis hin in den Wohnzimmern der Menschen hier und anderswo. Und dennoch darf sich das Thema Krieg nicht abnutzen. Das Katholische Bildungswerk der Diözese Eisenstadt sieht eine diskursiv-reflexive Bearbeitung von Krieg und Frieden als genuine Aufgabe (gesellschafts)politischer Bildung und lud am 2. März zu einem Gesprächsabend mit dem Titel „Warum Krieg?“ ins Haus der Begegnung ein.
Grundlegend für den Gesprächsabend war das Büchlein „Warum Krieg? Ein Briefwechsel“ zwischen Albert Einstein und Sigmund Freud aus dem Jahre 1932. Albert Einstein, Jude und Pazifist, stellte an den Juden und Psychoanalytiker Sigmund Freud die „wichtigste Frage der Zivilisation: Gibt es einen Weg, die Menschen vom Verhängnis des Krieges zu befreien?“ (S. 15)
Im Gespräch waren Gerald Koller (Resonanz- und Risikopädagoge, Autor, Friedensgärtner), Leylya Mustafayeva-Strobl (Diplomjuristin mit Schwerpunkten internationale und europäische Beziehungen, humanitäres Recht und friedenssichernde Maßnahmen, Psychotherapeutin i.A.u.S.), Paul Franz Röttig (Philosoph, Theologe, Religionswissenschaftler, Diakon, tätig im Humanressourcenbereich) und Alexander M. Wessely (Theologe, Pädagoge, Theaterwissenschaftler, Bischofsvikar und Militärdekan). Durch den Abend führte Birgit Prochazka (Pädagogin, Kultur- und Sozialanthropologin).
Durch die sehr unterschiedlichen Zugänge der Gesprächspartner*innen gelang es, das Themenfeld weit zu öffnen und vielfältige Aspekte in das Gespräch um einzelne Inhalte der Briefe einzubringen. Ein gemeinsamer Tenor kristallisierte sich klar heraus: „Alle vier hatten Berührungen mit Krieg, entweder persönlich oder durch ihre Tätigkeiten im Rahmen der Friedenssicherung. Wesentlich für alle ist, dass über Krieg nicht gesprochen werden soll, ohne auch über Frieden zu reden. Für diesen förderlich sind Respekt, Begegnungen, die die Gefühlswelt des Einzelnen berühren, die Notwendigkeit, dass wir Mitleidende werden müssen und nicht gegen Bilder und Worte immun werden und abstumpfen dürfen“, so Prochazka, die Initiatorin des Gesprächsabends. Friedenserziehung wurde als ein möglicher und notwendiger Weg genannt, für das Thema Krieg & Frieden sensibel zu bleiben. Und zwar von Anfang an, in den Familien, wo Eltern als Vorbilder für ihre Kinder wirken, in Kindergärten, Schulen, in der Nachbarschaft, in öffentlichen Institutionen – überall dort, wo Menschen einander begegnen. Friedenserziehung, die jedoch nicht ausschließlich Kinder als Adressaten hat, sondern eine, die jede und jeden von uns erfassen soll.
Ein weiter Bogen wurde gespannt, von der Frage, was ein Menschenleben denn wert sei bis hin zu Alternativen zu Schlachtfeldern, nämlich Friedensgärten, eine Initiative, die am 24.2.2023 ins Leben gerufen wurde (www.friedensgaerten.net) – eine von vielen Möglichkeiten, einander wahrzunehmen, zu respektieren, mit- und einfühlend sein zu können und in Dialog zu treten, denn „Wie können wir ohne Dialog diesen Krieg beenden?“, fragte Paul Franz Röttig am Ende des Abends.