Predigt zur Diakonenweihe im Martinsdom
Am 29.06.2022 – Hochfest der hl. Apostel Petrus und Paulus. Homilie von Diözesanbischof Dr. Ägidius Johann Zsifkovics.
Bei der Vorbereitung auf die Predigt anlässlich der Diakonenweihe in unserem Martinsdom hat mich folgender Satz aus der Apostelgeschichte in der 1. Lesung zum heutigen Hochfest nicht mehr losgelassen: „Und siehe, ein Engel des Herrn trat hinzu und ein Licht strahlte in dem Raum.“ Zugegeben, eigentlich nur eine Randbemerkung, aber sie skizziert die aussichtslose Situation des Petrus, ängstlich, gefesselt im Gefängnis, und zugleich die zukunftslose Perspektive der frühen Kirche, irgendwie ist alle Hoffnung an ihr Ende gekommen. Ob das nicht auch ein Bild, eine Kurzbeschreibung für unsere Zeit, für Kirche und Gesellschaft, für uns Christen, für die Kleriker und auch für die Laien ist?
Jedenfalls, dieses Bild hat mich inspiriert, den Dienst des Diakons mit einer Taschenlampe, besser noch mit einem Laserpointer zu vergleichen. Als Diakone dürft Ihr keine Angst haben, in die Nacht der Menschen hineinzugehen. Ihr müsst unbedingt Spurensucher nach dem Wesen des Menschen bleiben. Diese sind wie wir, oft ängstlich, von verschiedenen Dingen gefangen und gefesselt, zukunftsarm, mit gebrochenen Hoffnungen, ausgeliefert, manchmal auch isoliert, selbstbezogen und gefangen mit all den Fragezeichen des Lebens, die sich täglich neu auftun. Als Diakone aber seid Ihr Lichtträger, ausgerüstet mit einer Taschenlampe und einem Laserpointer, die erkennen, wie schön der Mensch ist, wenn er wirklich Mensch ist, um mit einem Bild der griechischen Antike zu sprechen.
Dabei gilt es, drei Dinge nicht zu übersehen, sondern zu tun:
Leuchtet mit Eurem Leben und dient dem Evangelium.
„Der Diakon steht als Helfer dem Bischof und seinem Presbyterium zur Seite: Im Dienst des Wortes, im Dienst am Altar und im Dienst der Liebe ist der Diakon Diener für alle“ – so sagt es das Pontifikale in der Weiheliturgie zur Diakonenweihe. Die erste und wichtigste Aufgabe des Diakons in der Liturgie ist die Verkündigung des Evangeliums. Diakone sind Vermittler und Botschafter Jesu Christi. Um das Evangelium zu verkündigen, weitersagen zu können, muss der Verkünder – ob Diakon, Priester oder Bischof – zuerst selbst vom Evangelium ergriffen und betroffen sein. Der Versuch, aus dem Evangelium zu leben, muss immer neu gewagt werden und ist nie am Ziel. Könnte nicht die Verkündigung immer dann farblos und wirkungslos bleiben, wenn die Verkünder selbst nicht vom Evangelium ergriffen sind? Diese Diakonenweihe ist eine gute Gelegenheit, auch uns Priester, Diakone, Religionslehrerinnen, Pastoralassistenten, uns Getaufte ehrlich zu fragen, was und wen wir als Prediger und in der Weitergabe des Glaubens verkünden? Bringen wir den Menschen das Evangelium Jesu oder nur unsere eigenen Weisheiten, Ansichten, Ideologien, Meinungen, sogar Frömmigkeiten mit dem Deckmantel der Spiritualität? Deshalb wird dem Diakon bei der Weihe ganz bewusst das Evangeliar mit den Worten überreicht: „Empfange das Evangelium Christi: Zu seiner Verkündigung bist du bestellt. Was du liest, ergreife im Glauben; was du glaubst, das verkünde, und was du verkündest, erfülle im Leben.“ Diese Worte müssen getan und gelebt werden! Für Euch Weihkandidaten und für uns alle ist dieser Tag ein guter Anfang! Die Verkündigung des Evangeliums – das Hören auf Gottes Wort, die Gottsuche und das Reden von Gott – sind eigentlich das, wonach der Mensch hungert, was diese aufgeriebene Welt am meisten nötig hat und was Seelsorge ausmacht. Das ist auch die Grundlage jeder Neuevangelisierung, der Mission und Sendung, auch für den weltkirchlich synodalen Weg und für unseren diözesanen pastoralen Weg. Liebe Weihekandidaten, nehmt Euch das Evangelium Jesu zu Herzen, tragt es wie Papst Franziskus sagt, in Eurer Hosentasche, übersetzt es den Menschen in einer Sprache, die ihre Sprache ist und die sie auch verstehen können. Übt Euch nicht im Moralisieren und Polarisieren, im Finden von Vorschriften, die niemand braucht. Theologische Einseitigkeiten und Spitzfindigkeiten, zurechtgebastelte Spiritualitäten sind niemals die Sprache der Verkündigung – vergesst nicht, wir haben den Menschen eine Frohbotschaft und nicht eine Drohbotschaft zu bringen! Das Evangelium muss als Botschaft der Freude auch an die kommenden Generationen weitergegeben und der Glaube muss als lebensstiftend und schön erfahren werden können. Euer Leben und Euer Dienst sei wie ein Laserpointer für das Evangelium und wie eine Taschenlampe, die leuchtet, auch wenn sie flackert.
Leuchtet mit Eurem Leben und Dienst auf die Armen hin.
Der Diakon hat den Dienst am Wort und am Altar, aber vor allem auch den Dienst helfender Liebe an den Tischen des Lebens zu tun. Glaube ohne Diakonie ist kein christlicher Glaube. Verkündigung des Evangeliums ohne Diakonie ist keine christliche Verkündigung. Dabei sind den Diakonen besonders die Armen und Kranken, Heimatlosen und Notleidenden ans Herz gelegt. Ist dieser diakonale Dienst in Zeiten der Pandemie, des Krieges in der Ukraine, des Auseinanderlebens, der um sich greifenden Aggressionen und der wachsenden Selbstbezogenheit nicht aktueller, notwendiger und herausfordernder, denn je? In dieser für viele Menschen so bedrückenden und unsicheren Zeit mit ihren wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Dauerschäden braucht es den Dienst des Diakons, der mit seinem Auge auf die Armen und Kranken, Heimatlosen und Notleidenden und auf die neuen Armen unserer Tage schaut und ihnen helfend beisteht. Armut und Not sind meist nicht laut, wirklich Arme schämen sich, ihre Armut ins Schaufenster zu stellen. Der Diakon aber sollte der sein, der die Menschen gut leiden kann – in der doppelten Bedeutung des Wortes: Ich mag dich, und: Ich lasse dich im Leiden nicht im Stich!
Liebe Weihekandidaten, auch Euer bisheriger Lebensweg mit der je eigenen und einmaligen Biographie verpflichtet und sendet Euch als Diakone zu den Armen, zu den Vergessenen und Benachteiligten und zu denen, die gerne übersehen werden: Die Angestellten in den Supermärkten, die Pflegerinnen und Pfleger in den Heimen und Spitälern, die jungen Menschen in ihrem Suchen und Ringen und in ihrem Fragen nach Zukunft auf ihren Lehr-, Schul- und Studienplätzen, die oft zerrütteten Familien mit all ihren Verwundungen, die Kinder, hin- und hergerissen zwischen den Welten, die Alleinerziehenden, die Alten, die Kranken, die Sterbenden, und wie sie alle heißen mögen. Macht es als Diakone unserem Herrn Jesus im Abendmahlsaal nach und kniet wie er, vor den Menschen nieder und wascht ihnen die Füße. Das heißt: helft ihnen, steht ihnen mit Eurer Liebe bei, seid ihnen nahe. Diakone sind das Gesicht der Kirche im Alltag der Menschen, dort, wo sie wohnen, arbeiten, einkaufen, sich in Vereinen engagieren und ihre Freizeit leben. Diakone sind die Augen der Kirche und Anwälte für eine barmherzige und solidarische Kirche. Der diakonale Dienst ist immer konkret, christliche Liebe muss echt und glaubwürdig sein. Schämt Euch nicht für diesen Dienst – Ihr seid damit in guter Gesellschaft mit diesem Jesus!
Damit Ihr leuchten könnt, vergesst nicht, Eure Batterien aufzuladen.
Christsein, ganz besonders der geistliche Dienst, sind immer eine Gabe, ein Geschenk von Gott. Für dieses Geschenk der Berufung können wir Gott nur danken. Auf dieses Geschenk haben wir keinen Anspruch, es ist kein Privileg und kein Sonderstatus. Aber ohne diese geistlichen Berufungen wäre die Kirche nicht mehr die Kirche Jesu Christi. Damit wir aber unser Christsein, den Dienst und unsere geistliche Berufung leben können, braucht es die Gaben des Heiligen Geistes das treue Gebet, die Begegnung und Freundschaft mit dem Herrn. Wie Petrus und Paulus dürfen auch wir vertrauen, dass der Herr seinen Blick von uns niemals abwendet, selbst dann, wenn wir ihn verleugnen, verraten oder zurückdrängen.
Liebe Weihekandidaten, damit Ihr Euer Christsein leben und Euren Dienst als Diakone tun könnt und dabei nicht ausbrennt, vergesst nicht, neben den vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen, zur Ladestation zurückzukehren, an der Ihr Eure Batterien wieder aufladen könnt, Kraft und Energie tankt. Im Gebet, im Stundengebet, in der Feier der Eucharistie, in der Anbetung, in der Feier der Sakramente, auch im Sakrament der Versöhnung, in der Stille und im Schweigen könnt Ihr Kraft schöpfen. Das sind die Ladestationen für Euch Diakone, für uns Priester und für uns Christen.
Heute stößt Euch der Herr, wie damals dem Petrus im Gefängnis in die Seite, er weckt Euch und sagt: „Schnell, steh auf – Gürte dich, zieh deine Sandalen an! Wirf deinen Arbeitsmantel, die Dalmatik um und folge mir!“
Petrus und Paulus haben in ihrem Leben den Ruf des Herrn gehört und angenommen, sie sind ihm gefolgt. Heute ergeht dieser Ruf an Euch und Ihr folgt ihm, wenn auch vielleicht etwas ängstlich, staunend und fragend, und sicher auch oft überfordert. Wir alle begleiten Euch mit unserem Gebet und wünschen Euch für Eure Berufung und in Eurem Dienst viel Freude, Mut und Ausdauer!
Die Taschenlampe, der Laserpointer, die Dalmatik, der Mantel, der Arbeitsschurz, die Stola erinnern Euch daran, dass Ihr als Diakone mit Eurem Leben und Eurem Dienst auf das Evangelium, auf die Armen hin leuchten sollt und dass Ihr nicht vergessen sollt, Eure Batterien aufzuladen, damit Ihr wie Petrus und Paulus Lichtträger sein könnt!
Und seid ein Zeigefinger in eine Welt, die größer und weiter ist als unsere, seid Mitarbeiter an der Erlösung und Vagabunden zwischen Gott und den Menschen!
Amen.
Bischof Ägidius J. Zsifkovics
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