Polizeiwallfahrt nach Mariazell
Liebe Polizistinnen und Polizisten!
Liebe Polizeischülerinnen und Polizeischüler!
Liebe Polizisten im wohlverdienten Ruhestand!
Sehr geehrter Herr Bundesminister mit den Verantwortlichen im Bundesministerium für Inneres!
Sehr geehrte Landesdirektoren und Verantwortungsträger der Polizei!
Liebe Mitglieder der Polizeimusik!
Liebe Frau Landtagspräsidentin aus dem Burgenland!
Liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer aus den Bundesländern!
Liebe Mitbrüder in der Exekutivseelsorge! Lieber P. Superior!
Schwestern und Brüder im Herrn!
In seinem Stinatz-Krimi "Kopftuchmafia" schreibt der über das Burgenland hinaus bekannte Autor und Landsmann Thomas Stipsits über ein dramatisches Ende einer Hochzeit in meinem kroatischen Heimatort Stinatz. Die Braut verschwindet, sie wird am nächsten Tag ermordet aufgefunden – ein Fall für Inspektor Sifkovits. Übrigens, der Name des Inspektors klingt wie meiner, wird aber völlig anders geschrieben, weil es ja von diesem Namen unzählige Varianten gibt.
Die Ermittlungen stellen Herrn Inspektor Sifkovits vor einige Rätsel. Ohne tatkräftige Unterstützung von der "Kopftuchmafia", einem alteingesessenen Damentrio, wären die Ermittlungen ins Stocken geraten. Den drei rüstigen Frauen, die tagaus, tagein vor einer Gemischtwarenhandlung auf einer Bank sitzen, entgeht so gut wie gar nichts. Kein Zweifel, die drei wissen mehr als Facebook und Google, sind besser informiert als manch polizeilicher Ermittler.
Ich mache keine Werbung für diesen Krimi, aber er sagt auch etwas über meinen Kindheits- und Jugendtraum aus: Auch ich wollte Polizist werden – damals Gendarm – natürlich in meinem Heimatort. Doch die Wege verlaufen immer anders als gedacht – nun bin ich Priester und Bischof dieser 60-jährigen Diözese, ganz im Osten Österreichs, in diesem 100-jährigen Burgenland mit seinen Grenzen zu Ungarn, zur Slowakei und zu Slowenien. Nebenbei bemerkt, die Grenzziehung zu den Steirern wurde erst vor wenigen Wochen endgültig festgelegt: Unser Burgenland ist damit "größer" geworden.
Aber die Sympathie für die Polizei ist mir geblieben, sie ist mit den Jahren noch größer geworden. Es gibt mit Euch viele Begegnungen, Anknüpfungspunkte, gemeinsames Tun und Sorgen, auch unsere Wallfahrten. Es gibt die Polizeimusik, die unsere Feste mitgestaltet und unsere gemeinsamen Messfeiern, auch die adventlichen Roraten in den frühen Morgenstunden vor Weihnachten in der Hauskapelle des Bischofshofes in Eisenstadt und es gibt unser gemeinsames Mühen in der Exekutivseelsorge.
Ich danke den beiden Diakonen Peter Graf und Michael Marlovits, und heute allen Mitbrüdern, die in der Exekutivseelsorge in den verschiedenen Bundesländern und österreichweit tätig sind.
Wenn Beruf zur Berufung wird, überschneiden sich unsere Aufgaben, die des polizeilichen Dienstes und die des kirchlichen Dienstes.
Es geht immer darum, dass wir gemeinsam für die Menschen da sind, uns für die Menschen aufreiben, uns für sie sorgen, und dass dabei der Eigennutz und die persönlichen Interessen zurücktreten müssen.
Die Hochzeit in Kana, die im heutigen Evangelium verkündet wird, ist mehr als ein Polizeiprotokoll, mehr als eine historische Bestandsaufnahme oder ein Hochzeitsbericht. Die Braut wird nicht entführt, die Polizei ermittelt nicht, aber es kommt noch viel schlimmer: Der Wein geht bei dieser Hochzeit aus!
Für uns Burgenländer das schrecklichste, was uns passieren kann. Vordergründig geht es aber auch bei dieser Hochzeit in Kana nicht um das Weinwunder – damals war Glykol in Zusammenhang mit Wein noch nicht bekannt – sondern es geht um die menschliche Sehnsucht.
Denn, wo Gottes Gegenwart greifbar und erlebbar wird, rückt das Banale und Oberflächliche des Lebens in den Hintergrund. In seiner Gegenwart leben Überraschungen und Freude auf. Bei ihm kommt die Sehnsucht des Menschen ans Ziel. Ich bin fest davon überzeugt, Ihr Dienst, liebe Polizistinnen und Polizisten, ist diesem Dienst Mariens sehr ähnlich.
Hier in Mariazell und in vielen anderen Wallfahrtsorten in unserem schönen Land wird die Gottesmutter über Jahrhunderte verehrt und angerufen, ihr wird unser Leben anvertraut. Die Zeit, in der wir leben, ist nicht immer "unsere Stunde": Wir sind herausgefordert, manchmal überfordert angesichts der oft widrigen Lebensumstände, angefangen von der Schlepperkriminalität bis zu den zunehmenden Frauenmorden, vom Kräftemessen im Autoverkehr bis zu den Messerstechereien, von den unberechenbaren Demonstrationen bis zur Menschen zerstörerischen Drogenszene. Und nicht wenige möchten die Polizei sogar noch als Oberspitzel herbeirufen, um illegale Zusammenkünfte und Coronapartys aufzulösen. Die Ansprüche und Erwartungen an die Polizei werden immer größer, komplexer, nahezu unüberschaubar. Denken wir nur an die Cyberkriminalität und an vieles, was gestern nicht einmal gedacht wurde. Viele Risse gehen durch die Gesellschaft, unterdrückte Projektionen der Menschen und ihrer Lebensumstände werden gerne auf Sie abgeladen.
Das sind Lebenssituationen, die uns überfordern, schon damals bei der Hochzeit zu Kana war es ähnlich. Doch wer das Leben sieht, sich den widersprüchlichen Situationen und Herausforderungen stellt, die je eigene Berufung annimmt, wird meist überrascht.
Sie alle sind zu dieser gemeinsamen, nun schon zur guten Tradition gewordenen Wallfahrt aufgebrochen. Viele von Ihnen zu Fuß, andere mit dem Bus oder privat, Aktive und Pensionisten, teilweise mit Ihren Familien und mit jenen, die besondere Verantwortung tragen, und Sie haben damit bewusst oder unbewusst das Wort, das Maria zu den Dienern bei der Hochzeit gesagt hat, in Ihre Lebenssituation hinein übersetzt: "Was er euch sagt, das tut." Ihr Tun, Ihr Einsatz, Euer Risiko ist viel mehr als ein Beruf! Liebe Freunde, das ist Berufung!
"Was er euch sagt, das tut." – Das Hören auf Gott und das Vertrauen in Gott ist mehr als billiger Konsum. Gott ist immer größer, er ist immer anders. Er ist kein Aufpasser und kein Strafender, er ist Barmherzigkeit und Liebe, und er gibt den Menschen seine Größe und Würde. Wo Gott totgeredet oder ideologisch verdrängt wird, verkümmert der Mensch, wird der Mensch dem Menschen ein Wolf.
Deshalb sind Sie auch hier, liebe Wallfahrer, unaufgeregt und müde, aber voll Sehnsucht, diesem Gott zu begegnen. Vielleicht vermissen Sie ihn auch manchmal, gerade in den schwierigen Situationen des Lebens und des Berufes, vielleicht ist auch Ihnen die Gottesferne manchmal greifbarer als die Gottesnähe. Aber letztlich, so glaube ich, lässt er Sie und mich, uns alle, nicht im Stich. Ich bin überzeugt, ohne diesen Gott wäre in unserer Welt alles noch viel schlimmer! Ich weiß natürlich auch, dass es so etwas wie Gottesvergiftung geben kann, vor allem dann, wenn Menschen fanatisch und engstirnig ihr Unrecht, ihre Gewalt und ihr himmelschreiendes Tun mit Gott begründen.
Liebe Polizistinnen und Polizisten, Sie sind eigentlich Anwälte des Lebens und Sie begründen eine Kultur des Lebens, auch wenn Ihnen sehr oft die Brutalität, die Kehrseite des Lebens nicht erspart bleiben. Sie erleben die Sünde des Menschen in ihrer oft brutalsten Form.
Sie sind beauftragt, die staatlichen Gesetze umzusetzen und gleichzeitig die Erwartungen der Menschen zu erfüllen.
Sie stehen unter strenger rechtlicher Beobachtung und ebenso regelmäßig auch in öffentlicher Kritik.
Der Dank an Sie für gelungene Rettung, gewährten Schutz und aufmerksame Begleitung ist selten und meistens sehr leise.
Die Belastungen, die mit Ihrem Dienst verbunden sind, verlangen viel Fingerspitzengefühl und sind oft eine menschliche Überforderung, besonders dann, wenn es um Kindstod, um Unfälle Jugendlicher, um Opfer von Gewaltverbrechen und um das Überbringen von Todesnachrichten geht.
Nicht selten bedeutet der Polizeidienst auch ein Risiko des eigenen Lebens. Noch ist uns der nahegelegene Annaberg in Erinnerung, zudem nicht wenige andere Begebenheiten, bei denen Polizisten verletzt wurden, oder nicht mehr nach Hause zurückgekehrt sind. An sie alle denke ich heute mit Ihnen gemeinsam und bete für sie!
Das Große Ihres Dienstes wird von den Medien kaum eingefangen, weil es so schwer zu beschreiben und kaum zu berichten ist: Die Sorge und Verantwortung füreinander und Ihr Beitrag, Lebensräume zu schaffen, in denen die in Enge getriebenen Menschen "Ja" zum Leben sagen können.
Ihr Mühen, in den Niederlagen, Ohnmachtserfahrungen und Demütigungen der Menschen nicht müde zu werden, immer neu zu fragen, wo noch etwas Gutes für diese Menschen getan werden kann, ist nahezu übermenschlich.
Ihre Empathie und Ihr Mitgefühl für Menschen übersteigt das normale Maß, wenn Menschen sich mit Suizidgedanken tragen, in aussichtslose Situationen verstrickt sind und Depressionen, Schicksalsschläge, Ängste und Einsamkeit das Übergewicht haben.
Ihr Einsatz für den Schutz der Schwachen, der älteren Menschen, Ihre Aufmerksamkeit den Kindern und jungen Menschen gegenüber, Ihre Sorge für die, die am Rand unserer Gesellschaft dahinvegetieren – all das ist nicht selbstverständlich und auch nicht Dienst nach Vorschrift. Und vieles mehr!
Ich danke Ihnen! Sie tun Großes, vieles unbezahlt und unbedankt!
Aber ohne Ihren Dienst wäre unsere Gesellschaft viel ärmer!
Sie sind wie Maria bei der Hochzeit von Kana da, wenn eine Not ausbricht und wenn es Hilfe braucht.
Die Mutter von Zell begleite Ihren Dienst mit ihrem mütterlichen Segen und ihrer Fürsprache, damit Ihr Leben und Ihr Dienst für Sie selber, unser Land und seine Menschen zum Segen ist! Amen.