Grundsteinlegung zum Ersten Orthodoxen Kloster in Österreich
Eminenz, lieber Metropolit Arsenios!
Lieber Herr Superintendent Manfred!
Lieber Bischof Franz!
Geschätzte Geistlichkeit aus orthodoxer, evangelischer und katholischer Kirche!
Exzellenzen, sehr geehrte Mitglieder des diplomatischen Corps!
Lieber Herr Landeshauptmann!
Geschätzte Frau Landtagspräsidentin!
Geschätzte Mitglieder der Burgenländischen Landesregierung!
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde St. Andrä am Zicksee!
Geschätzte Anwesende, liebe Festgäste!
Es gibt im Leben einer Diözese viele schöne Ereignisse. Doch es gibt nur wenige Ereignisse von historischer Bedeutung. Vor 60 Jahren wurde die Diözese Eisenstadt gegründet – dies war solch ein historisches Ereignis. Vor 32 Jahren hat Papst Johannes Paul II. unserer Diözese ebenfalls einen historischen Moment geschenkt: In einer damals geteilten Welt hat er das Burgenland besucht und 1988, kurz vor dem Kollaps des Sowjetimperiums, am Eisernen Vorhang 100.000 Menschen zugerufen, keine Angst zu haben.
Es ist eine wunderbare Fügung, dass wir in diesem so schweren, so unberechenbaren, so sorgenvollen Jahr 2020, im Jahr des 60. Geburtstages unserer Diözese, dennoch ein weiteres beglückendes Ereignis von historischer Tragweite erleben dürfen: Wir legen heute den Grundstein für ein Projekt, das ein anderes großes Wort des heiligen Papstes Johannes Paul II. in Erinnerung ruft: Seinen Ausspruch, dass das Christentum mit zwei Lungenflügeln atmet, dass es zwei Spiritualitäten kennt, eine des Westens und eine des Ostens. Am heutigen Tag dieser Grundsteinlegung hauchen diese beiden Lungenflügel einen gemeinsamen und kräftigen Atem aus, von dem wir hoffen, dass Gott ihn weit hinaustragen möge über die Grenzen unseres Landes und unseres Kontinents und ihn angenehm und ansteckend mache für viele andere. Es ist der Atem menschlicher Einmütigkeit. Dieser Atem darf – und soll – ansteckend sein!
Doch zwei Lungenflügel können nur einen Atmungskreislauf bilden, wenn sie ein passendes Verbindungsstück besitzen. Ich bin stolz, dass die Diözese Eisenstadt und unser Burgenland – mit seiner jahrhundertealten Genetik als Grenzregion und kulturelle Brücke – ein solches Verbindungsstück darstellen. Wir Burgenländer verstehen die hohe Kunst, die Dinge miteinander zu verbinden: In Parndorf haben wir ein Outlet-Center – das neue Orthodoxe Kloster hier in St. Andrä wird ein "Inlet-Center" sein: ein Wort, wo man die Menschen "ein-lässt", um Ruhe, Beschaulichkeit und Frieden zu finden, um sich ins eigene Innere zu wenden und wieder einmal nachzuschauen, wie es der vernachlässigten Seele geht. Ein Ort, wo man den echten "Lockdown" finden kann.
Ich bin traurig, dass Seine Allheiligkeit der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel heute nicht bei uns sein kann. Das weltweite Oberhaupt der Orthodoxen Kirche hat das Burgenland bereits zweimal besucht, und ich weiß, dass er auch heute nur allzu gerne bei uns wäre. Doch unsere Gedanken und unsere Liebe sind am heutigen Tag bei ihm und bei unseren christlichen Geschwistern in der Türkei. Unsere Gedanken und unser Dank sind heute aber auch ganz besonders bei Papst Franziskus. Er ist mit dem Klosterprojekt und mit dem Burgenland ebenfalls seit Jahren ganz besonders verbunden. Beide Kirchenoberhäupter unterstützen das Klosterprojekt seit Jahren auf mannigfaltige Art und Weise und sind daher heute, wenn wir den Grundstein legen, zwar nicht physisch anwesend, aber doch auf sehr konkrete Weise bei uns.
Dies umso mehr, als ihre Vorgänger – die Apostel Petrus und Andreas – Brüder waren. Das bedeutet, dass sowohl orthodoxe als auch katholische Christen Mitglieder ein und derselben Familie sind. Nach Jahrhunderten der Trennung unserer beiden Kirchen sehnen die Zeichen der Zeit die volle Einheit aller Christen herbei. Wir wissen, dass der offizielle theologische Dialog zwischen den Kirchen noch viele Herausforderungen zu bestehen hat. Doch wir dürfen nie vergessen, dass die volle und sichtbare Einheit aller Christen nicht in erster Linie durch Debatten und Papiere zu erreichen ist. Wir können die Einheit nicht "machen" oder verordnen. Die Einheit ist – so wie der Friede überhaupt – kein intellektueller Prozess. Sie ist ein spiritueller Prozess.
Wohl deshalb hat Papst Franziskus uns Christen aufgefordert, nicht auf die Theologen zu warten. Wir sollen als Christen "gemeinsam vorangehen, füreinander beten und miteinander Werke der Barmherzigkeit tun". Als mein Freund und Bruder Metropolit Arsenios mir vor sieben Jahren von seinem Wunsch erzählte, im Burgenland ein orthodoxes Kloster errichten zu wollen, fiel mir als Bischof einer Martinsdiözese der geteilte Mantel des heiligen Martin ein. Martinus ist ein Heiliger, der die Tat und die Liebe über das Wort setzt – und er lebte zu einer Zeit, in der unsere beiden Kirchen noch eins waren. So wusste ich, was zu tun war!
Als das Burgenland 1921 als deutschsprachiger Teil Westungarns zu Österreich kam, protestierte Ungarn in bewusster Anspielung gegen die ihm durch den Verlust widerfahrene unfreiwillige "Mantelteilung". Das neue orthodoxe Kloster, dessen Grundstein wir heute legen, wird als Martinstat für die orthodoxen Christen Österreichs und Ungarns in einem heute vereinten Europa auch zur Heilung dieser alten "Wunde" beitragen. Einmal mehr wird Martin, der große Europäer, Grenzen überwinden und versöhnend wirken. Für unsere Kirchen, unser Burgenland, unser Österreich, unser Europa.
Ich danke den Menschen der Gemeinde St. Andrä und ihrem Bürgermeister Andreas Sattler, die die Bedeutung der Klosterstiftung für Kirche und Welt erkannt haben. Ich danke Dir, lieber Herr Metropolit, für Deine Geduld im Ertragen aller Schwierigkeiten beim Werden dieses Projektes und Deine stete Sorge um das gute Gelingen dieses Projektes, dem Herrn Abt Paisios und den Vätern für den verantwortungsvollen Aufbau einer Mönchsgemeinschaft, die nun schon seit Jahren hier lebt und den Ort bereichert sowie für die Liebe und Geduld im Meistern aller Herausforderungen und täglichen Probleme. Ich danke Dir, lieber Herr Landeshauptmann, und den Stellen des Landes Burgenland für die vielen Formen des Wohlwollens und konkreten Hilfe auf den Etappen dieses Jahrhundertprojektes.
Mein Dank gilt aber auch den mit diesem Projekt verwachsenen Mitarbeitern der Diözese Eisenstadt und all jenen Menschen, die sich seit Jahren mit Herz und Kopf für dieses große Projekt der Begegnung mit Gott und den Menschen einsetzen – allen voran dem Architekten dieses Klosters.
Einheit und Frieden ist möglich, wo viele mitbauen. Es ist mir die allergrößte Freude, dass uns heute zwei junge Maurerlehrlinge der Berufsschule Pinkafeld bei der Grundsteinlegung unterstützen werden. Mögen sie die Vorboten sein einer jungen Generation, die mitbaut am Haus der Zukunft!
Meine Freude in dieser Stunde ist unbeschreiblich groß, weil dieses Projekt des ersten orthodoxen Klosters auf burgenländischem Boden Wirklichkeit wird. Mein Wunsch und unser aller Wunsch ist es wohl, dass dieses Kloster mit der Kirche, deren Grundstein wir heute legen, bald fertiggestellt werden kann – Dank unser aller Hilfe. Möge Gott, der Herr, seinen Segen auf dieses Jahrhundertprojekt legen und das erste orthodoxe Kloster "Maria Schutz" hier auf burgenländischem Boden nicht nur den orthodoxen Christen, sondern allen Menschen zum Segen werden!