Predigt anlässlich der Arbeitetrwallfahrt 2019 nach Altötting
Der Erzbischof von Saigon und spätere vietnamesische Kardinal Van Thuan, der 13 Jahre in "Umerziehungslagern" der kommunistischen Vietcong inhaftiert war, davon 9 Jahre in strenger Isolation hat im Heiligen Jahr 2000 Papst Johannes Paul II. und der römischen Kurie die Fastenexerzitien gehalten mit dem Titel "Hoffnung, die uns hält". In einer seiner Meditationen kommt er auf das Thema zu sprechen: "Was der Geist den Gemeinden sagt". Dabei schaut er in das letzte Buch der Bibel, in die Geheime Offenbarung des Johannes, in dem der auferstandene Christus eine Bilanz des Lebens der 7 Gemeinden in Kleinasien zieht. Mit seiner Botschaft möchte Jesus das Leben der Gemeinden läutern. Wassagt Jesus, der auferstandene Herr, seinen Gemeinden, den Christen von damals und uns Christen von heute?
Auffallend und interessant zugleich ist, dass Jesus darin 5 Gemeinden wegen des Mangels an brennender Liebe, wegen des Kompromisses, wegen des Götzendienstes, wegen der Verschlafenheit und wegen der Lauheit tadelt. Sind davon nicht auch viele christliche Gemeinden heute betroffen? Nur 2 Gemeinden werden von Jesus nicht getadelt – das ist die verfolgte und arme Gemeinde in Smyrna sowie die kleine und treue Gemeinde in Philadelphia. Beide Gemeinden sollen uns Christen und unseren christlichen Gemeinden des 21. Jahrhunderts Vorbild, Wegweiser und Mutmacher sein. Schauen wir nun etwas genauer auf diese beiden Gemeinden, ihr Leben und ihre Haltungen.
Die verfolgte und arme Gemeinde in Smyrna.
Der Auferstandene ermutigt sie in einem Moment der Bedrängnis und der Prüfung: "Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut; doch du bist reich. Fürchte dich nicht vor dem, was du noch erleiden musst. Der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, um euch zu prüfen. Sei treu bis in den Tod. So erhält man den Kranz des Lebens." Sei treu und fürchte dich nicht vor Bedrängnis, Verfolgung und Armut! Das ist eine klare, auch harte und herausfordernde Einladung des Auferstandenen an seine Kirche, unsere Gemeinden, an uns Christen. Das ist eine Einladung, die wir moderne Christen oft nicht hören wollen, weil sie uns zu einfach, naiv und zu wenig attraktiv erscheint. Bei allen Reformprozessen, die gerade auch in der Kirche laufen, hört man viel von Strukturwandel, Innovation, Demokratie, Partizipation, Anpassung an die moderne Welt und den Menschen – das ist sicher von Bedeutung – aber selten hört man etwas von dem, was Jesus in der Geheimen Offenbarung von seinen Gemeinden und uns Christen zuerst verlangt: Treue, Standhaftigkeit, Bescheidenheit und Armut! Unsere Gemeinden werden nicht einladend und anziehend sein, wenn sie sich nicht wiederum auf das Wesentliche unseres Glaubens konzentrieren und dies zur Mitte ihres Christseins machen – die Mitte unseres Glaubens ist nicht eine noch so kluge Reformdebatte, sondern der gekreuzigte und auferstandene Jesus, unsere Liebe zu ihm! Als Bischof danke ichdeshalb allen in unserer Diözese, die treu sind zu Glaube und Kirche, die sich mit ihren Talenten und Fähigkeiten einbringen in Kirche und Gesellschaft und die als Christen treu und arm, einfach, bescheiden leben! Dankeauch für Eure Treue zur Arbeiter-wallfahrt – das ist ein lebendiges und konkretes Glaubenszeugnis!
Die kleine, aber treue und solidarische Gemeinde in Philadelphia.
Schon der Name dieser Gemeinde ist bedeutsam: Philadelphia – Bruderliebe. Diesen Begriff verwendet das Neue Testament, um von der Liebe zu sprechen, die die Jünger Jesu zueinander haben. Für diese Gemeinde hat der Herr ein besonders ermutigendes Wort: "Du hast nur geringe Kraft und dennoch hast du an meinem Wort festgehalten und meinen Namen nicht verleugnet, daher werde auch ich zu dir halten und dich bewahren."
Klein, treu und solidarisch mit den Brüdern und Schwestern – das ist das Kennzeichen einer christl. Gemeinde, von Christen wie Jesus sie liebt!
Haben wir als Kirche heute nicht oft unberechtigter Weise Angst vor der weniger werdenden Schar der Christen in unserem Land? Es ist schön, wenn möglichst viele/alle Menschen den Weg zu Glaube und Kirche finden, es braucht heute mehr treue und solidarische Christen! Ein Blickin unsere Kirche und Gesellschaft zeigt, dass gerade Treue und Solidarität heute mehr denn je in Gefahr sind – in Ehe und Familie, in den christlichen Gemeinden und Gemeinschaften, in den Vereinen, in der Politik und im Staat. Was wird nicht alles von der Politik den Menschen versprochen und was wird nicht alles von den Menschen heute gefordert? Wobleiben da Treue und Solidarität? Ohne Treue und Solidarität ist aber keine Familie, Gemeinschaft und Staat zu machen! Als Martinsdiözese tragen wir die christliche DNA der Treue und Solidarität in unseren Genen – mehr als andere sollen wir uns darum mühen! Jesus sagt seiner Kirche: Sei eine Kirche, die treu an der Liebe, am Wort des Evangeliums sowie an der Bruderliebe und Solidarität festhält! Dann wirst du Zeugnis der Gegenwart des Herrn sein, du wirst wachsen und leben, und du wirst siegen. Ist das nicht hoffnungsvoll?!
Auch das Evangelium dieses 22. Sonntags im Jahreskreis C erinnert uns an 3 Dinge, die Jesus von seiner Kirche und uns Christen erwartet: Seid bescheiden und nehmt euch nicht so wichtig! Lasst euch von Gott euren Platz zuweisen und drängt euch nicht auf! Lernt von mir, was wertvolles, echtes christliches Leben ist – das ist mehr als egoistisches, auf sich selbst fixiertes und nur auf das eigene Wohl bedachtes Leben; das geht über das berechnende "wie du mir, so ich dir" weit hinaus; das bezieht auch die ein, die sich für eine gute Tat nicht revanchieren können; das hat auch die Armen, Lahmen, die Krüppel und Blinden im Blick, die auf unsere Hilfe angewiesen sind.
Maria hat uns wohl am klarsten gezeigt, was Jesus von uns erwartet – Liebe, Freude, Furchtlosigkeit, Bescheidenheit, Treue und Solidarität. Maria, die in Altötting besonders verehrt wird, sei unserer Diözese, ihren Pfarrgemeinden und uns allen Wegweiserin und Helferin! Amen.