Homilie zum Christtag
25. Dezember 2023, im Martinsdom zu Eisenstadt
Vor einigen Tagen bekam ich auf meinem Handy eine Kurz-Nachricht mit der Schlagzeile: „Das Christkind kämpft mit der Inflation.“ Zuerst dachte ich mir, was soll dieser Schwachsinn? Aber diese Schlagzeile lässt mich seither einfach nicht mehr los. Es lohnt sich über diesen Satz gerade an Weihnachten etwas tiefer nachzudenken.
„Das Christkind kämpft mit der Inflation.“Auch wenn man kein Banker, Finanzfachmann, Wirtschaftsmanager ist, wissen wir spätestens seit den vergangenen Monaten, was eine Inflation ist. Wir alle erleben sie schmerzlich, brutal und hautnah. Inflation ist die Geldentwertung, Teuerung, der Wertverlust.
„Das Christkind kämpft mit der Inflation“, mit dem Wertverlust von Anfang an, damals schon nach der Geburt im Stall von Betlehem, wo ihm König Herodes nachstellte, später durch die Jahrhunderte einmal weniger und dann wieder mehr, besonders aber heute in unserer Zeit und sogenannten modernen Gesellschaft. Wir erleben einen großen Wandel in vielen Bereichen des Lebens, einen Wertverlust und auch einen Werteverlust. Das Christkind kämpft heute tatsächlich mit der Inflation, dem Wertverlust von Religion, Glaube, Kirche, christlichen Werten und Haltungen. Aber wie kann und soll man dem begegnen?
An Weihnachten kommt man selbst in unserer westlichen Konsum-, Spaß- und Wohlstandsgesellschaft nicht an der alten Krippe vorbei.Franz von Assisi hat vor 800 Jahren die erste „lebende Krippe“ im italienischen Greccio nachgestellt, um den Menschen seiner Zeit das Geschehen im Stall von Betlehem zu veranschaulichen, lebensnah und greifbar zu machen, damit sie ergriffen werden vom Ereignis, zum Staunen und zur Anbetung des Christkinds gelangen. Dieses Jubiläum ist ein Anlass, um unseren Blick auf die Krippe zu richten. Unsere Krippen sind mehr als nur Kunstwerke oder Museumsstücke, sie sind – um es mit Papst Franziskus zu sagen – „lebendiges Evangelium“. Sie laden nicht nur zum Anschauen und Staunen, sondern zum „Mitspielen“ ein, wir alle haben einen eigenen Platz an dieser Krippe. Wenn wir unseren Platz finden und auch einnehmen, helfen wir dem Christkind heute gegen die Inflation und Abwertung anzukämpfen.
Wie lautet die Botschaft von Weihnachten? Der Evangelist Johannes sagt es uns kurz und bündig, auf feierliche Weise in seinem Prolog: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“Damit ist das ganze Geschehen im Stall von Betlehem ausgedrückt, ohne dabei von der Krippe, den Personen u. Tieren im Stall zu reden. Das Weihnachtsgeschehen wird mit den Worten Licht, Leben, Liebe treffend zusammengefasst. Genau das braucht es heute mehr denn je in unserem Land, in Europa, in unserer Welt– Licht, Leben, Liebe!
„Das Christkind kämpft mit der Inflation“, dem Wert-Werteverlust. Von der Krippe geht ein Licht aus, dass die Finsternis erhellt.Die Finsternis unserer Zeit scheint heute das Licht des Christkinds zu verdunkeln, auszublenden oder gar auszulöschen. Die Finsternis nimmt rasant und radikal zu – Hass, Gewalt, Terror in Prag, Krieg in der Ukraine, im Hl. Land und in anderen Kriegsgebieten, Spaltungen.Die Finsternis unserer Zeit scheint heute das Leben insgesamt in Frage zu stellen, die Würde und den Wert des Lebens als „Spielzeug“ und beliebiges „Material“ zu sehen, mit dem man experimentiert.Die Finsternis unserer Zeit scheint heute die echte Liebe zu verraten und als Ware zu verkaufen oder sie zum eigenen Vorteil zu nützen. Solidarität und Nächstenliebe werden immer mehr zu Fremdwörtern, denn viele möchten möglichst viel für sich auskosten, ohne Rücksicht auf die anderen, besonders auf die Armen, Kleinen und Schwachen. Wir alle erleben heute hautnah in Kirche und Gesellschaft den Kampf der Finsternis mit dem Licht. Und man könnte fast Angst bekommen, wenn wir nicht aus dem Weihnachtsevangelium wüssten: „Und das Licht leuchtet in der Finsternis u. die Finsternis hat es nicht erfasst.“ Das heißt nichts anderes als, das Christkind kämpft mit der Inflation, und es hat diesen Kampf gewonnen.
Wir alle sind in diesen „Kampf des Christkinds mit der Inflation“ als Getaufte, Gefirmte, Geweihte als lebendige Mitspieler an der Krippe mithineingenommen, jeder und jede an der Stelle und in der Rolle, die ihm von Gott zugedacht ist. Die Krippe erinnert uns Christen an Werte wie die Einfachheit, Demut-Mut zum Dienen, das lebendige Zeugnis. Es braucht heute unseren Einsatz in Familie, Kirche und Gesellschaft für das Licht, das Leben und die Liebe. Die Krippe erinnert Christen daran und sie verpflichtet uns dazu!
Als Bischof danke ich allen, die sich in den verschiedenen Bereichen des Lebens in unserem Land darum mühen und bitte alle, darin nicht nachzulassen und in Zeiten wie diesen zusammenzustehen, damit das Christkind auch heute bei uns den Kampf mit der Inflation gewinnt.
Lassen wir uns vom Christkind in der Krippe im Herzen berühren, verlernen wir nicht das Staunen über das Wunder der Weihnacht, beugen wir das Knie und beten wir das Kind in der Krippe an, um seinen wahren Wert zu erkennen und als Christen heute mit dem Christkind im Herzen gegen die Inflation, den Wert-Werteverlust anzukämpfen. Das wird am besten dann gelingen, wenn wir unseren Glauben und seine Werte in unseren Familien, Pfarrgemeinden und Gemeinschaften praktizieren und unseren Kindern glaubwürdig vorleben. Der Blick auf die Krippe erinnert uns immer daran!
In diesem Sinne allen FROHE WEIHNACHTEN und noch eine Bitte: Vergessen wir an diesem Weihnachtsfest nicht die Menschen in der Ukraine, im Hl. Land – der Heimat des Christkindes – und in allen anderen Kriegsgebieten, beten und arbeiten wir für den Frieden im Kleinen, dann wird er auch in Großen möglich sein! Amen.
Amen.
Ägidius J. Zsifkovics
Bischof von Eisenstadt