Bischof Zsifkovics ruft zum Zusammenhalt auf
Festgottesdienst im Martinsdom – Bischof warnt in Predigt: Leben ohne Gemeinschaft wird zu "Geisterfahrt im Gegenverkehr geistloser Individualisten"
Eisenstadt, 11.11.2024 (KAP) Zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zugleich zu einer offenen Gesellschaft, in der Gastfreundschaft gelebt wird, hat der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics aufgerufen. Er stand am Montag im Eisenstädter Dom dem Festgottesdienst zum Martinifest vor. Zsifkovics: "Der heilige Martin ist ein Anwalt der Zukunft, auch für unser Burgenland, für unsere Diözese, für die christlichen Kirchen und für unsere Gesellschaft."
Der hl. Martin von Tours (um 316-397) wurde auf Betreiben der Burgenländischen Landesregierung, die sich mit dieser Bitte an den Vatikan richtete, mit römischem Dekret vom 10. Dezember 1924 zum Landespatron des Burgenlandes erhoben. Die Diözese Eisenstadt wurde 1960 gegründet. Der Heilige ist seither auch Diözesanpatron.
Heute gehöre der Landesfeiertag zum burgenländischen Allgemeingut, so Bischof Zsifkovics. Das sei freilich nicht immer so gewesen: "In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Heilige ausgelöscht und ins Lächerliche gezerrt. Auch in der Zeit, in der Ökumene noch ein Fremdwort war, wurden der Mönch Martin und der Reformator und Mönch Martin gegeneinander ausgespielt. Daran zu erinnern, ist ehrlich."
"Teilen macht nicht arm"
Der Bischof rief in seiner Predigt zum Teilen, zur Gemeinschaft und zur Begeisterung auf. Die Begegnung mit dem Armen, das Teilen des Schutzes und der Würde mit dem Nackten und Frierenden, habe Martin den Weg zu Gott eröffnet. Zsifkovics: "Wer teilt, gibt sich selbst, ein Stück des eigenen Lebens. Teilen macht nicht arm. Solidarität ist immer konkrete Hingabe des Menschen und sie weist auf den menschenfreundlichen Gott." Und der Bischof appellierte an die Gläubigen: "Teilen wir großzügig und gerne, auch, bis es wehtut!"
Er wolle sich auch nicht damit abfinden, dass die Gesellschaft immer mehr zu einer egoistischen Ellbogen-Gesellschaft werde, so der Bischof weiter: "Das Leben erodiert. Leben aber ist Miteinander, Kirche ist Gemeinschaft, Gesellschaft ist Verantwortung füreinander, auch in dieser ins Schleudern gekommenen Welt." Leben ohne Gemeinschaft werde zu einer "Geisterfahrt im Gegenverkehr geistloser Individualisten".
Der hl. Martin "wurde zum Freund der Menschen, weil er ein Freund Gottes war und zum Freund Gottes, weil er ein Freund der Menschen war". Der Bischof appellierte an die Burgenländerinnen und Burgenländer, "die alte christliche Kultur der Gastfreundschaft" wieder verstärkt auszuüben: "Lassen wir die anderen an unserem Leben teilhaben!" Dieser gemeinsame Weg müsse wieder gelernt und geübt werden: in Kirche, in Politik, bei den Sozialpartnern, in Pfarren und Gemeinden.
Zsifkovics: "Bildung, Arbeit, die Sorge für die Kranken, die Achtsamkeit für Alte und Pflegebedürftige, die Begegnung mit den Fremden, braucht diesen gemeinsamen Weg." Und: "Setzen wir uns füreinander ein, gehen wir miteinander, finden wir zueinander und tragen wir gemeinsam Verantwortung!"
Neue burgenländische "Martinsfamilie"
Der Weg in eine gute Zukunft brauche mutige Prophetinnen und Propheten, so der Bischof weiter, keine "Scharlatane, Angstmacher und Ideologen". Deshalb rufe er im Burgenland die "Martinsfamilie" ins Leben: "Sie soll Gutes tun, Gutes denken, das Teilen üben, das Miteinander beleben und sich Gottes kreativem Geist gegenüber nicht verschließen." Er wolle dabei auch Landeshauptmann Doskozil und Landtagspräsident Hergovich danken, die die Schirmherrschaft über diese "Martinsfamilie" übernommen haben, deren Protektor der Bischof ist.
"Ich danke allen in Gesellschaft, Gemeinden und Pfarren, in den Vereinen, in den Familien, ich danke den Jungen und Alten, die bereit sind, mitzubauen. Ich danke den Betern, den Stillen, den Vertrauenden und den Glaubenden: sie bilden das Rückgrat dieser Martinsfamilie", so Bischof Zsifkovics.
Ökumene und Politik
An dem Gottesdienst nahmen u.a. auch Altbischof Paul Iby, der evangelische Superintendent Robert Jonischkeit und der griechisch-orthodoxe Archimandrit Athanasius Buk (in Vertretung von Metropolit Arsenios Kardamakis) teil. Die Politik war an erster Stelle von Landtagspräsident Robert Hergovich, Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf und dem Eisenstädter Bürgermeister Thomas Steiner vertreten. Dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der aufgrund einer Operation nicht kommen konnte, richtete Bischof Zsifkovics die besten Genesungswünsche aus.
Beim Gottesdienst wurde auch um Frieden in der Ukraine und im Heiligen Land gebetet, ebenso um ein gutes Gedeihen der Evangelischen Kirche im Burgenland, die heuer das Jubiläum "100 Jahre Superintendenz" feiert, sowie dafür, dass die orthodoxe Kirche möglichst bald mit dem Bau des Klosters in St. Andrä/Zicksee beginnen kann. Das Kloster wurde vor zehn Jahren gestiftet, der Baubeginn hat sich bisher aus verschiedenen Gründen verzögert.
Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes lag bei der Militärmusik Burgenland, dem Kinderchor Großhöflein und MartiniVoices, dem Ensemble Interpunkt und Mitgliedern des Chores "Pax et Bonum".
(forts. mgl.) gpu/rme/