
Faszination Wallfahrt
Die Pilgersaison beginnt zwar normalerweise nach Ostern, hoffentlich auch in diesem Jahr. Aber, der richtige Zeitpunkt sich auf den Weg zu machen, ist immer. – Pater Karl Schauer: "Wallfahrt betrifft den ganzen Menschen, mit seiner unbändigen Sehnsucht nach Zielen und mit der Ahnung, dass es im Leben mehr gibt"
Eisenstadt – "Der Weg ist nicht das Ziel! Aber das Gehen des Weges ist ein Bild für unser Leben", so Pater Karl, seit 2016 Bischofsvikar für Wallfahrt und Berufung in der Diözese Eisenstadt. Ob als Pilger entlang der traditionellen Marienwege unterwegs, auf den Spuren des heiligen Martin am Martinusweg wandernd oder dem burgenländischen Jakobsweg folgend – das Burgenland bietet sich an, die große Landkarte der Wallfahrtsstätten kennenzulernen und das Naheliegende neu zu entdecken.
Maria, Martin und Jakob
"Die meisten größeren Wallfahrtsorte im Burgenland sind der Jungfrau Maria geweiht, wie Maria Weinberg, Maria Loretto, Lockenhaus, Eisenstadt-Oberberg, Maria Bild, Rattersdorf, Güssing, Frauenkirchen, Ollersdorf, Forchtenstein oder Dürnbach. Aber es gibt auch die alten Kirchen, die dem heiligen Martin geweiht sind. Und diese Orte des Landes- und Diözesanpatrons sind durch den burgenländischen Martinsweg, der erst 2016 in die Liste der Europäischen Kulturwege aufgenommen worden ist, verbunden", so Bischofsvikar Schauer. "Die Basilika Güssing hebt sich hervor mit dem einzigen Seligen unseres Landes, Ladislaus Batthyány-Strattmann, Fürsprecher der Kranken, Arzt der Armen. Forchtenstein ist eine Besonderheit mit der heiligen Stiege, österreichweit. Einige Wallfahrtskirchen sind Basiliken, andere zudem auch Stätten der Kultur, so das Grab Joseph Haydns am Oberberg", schildert er.
Ein weiterer Pilgerweg, der burgenländische Jakobsweg ist verbunden mit jenem des großen Pilgerpatrons. Die Wege führen an vielen Kirchen, Kapellen, Pilgerstätten, Stelen, Marterln und Wegkreuzen vorbei, die erfahrenen Pilgern, Wallfahrern und Wanderern bestens vertraut sind.
Die Burgenländer sind Wallfahrer
"Die Burgenländer sind Wallfahrer, das durfte ich auch in den vielen Jahren meiner Arbeit in Mariazell erleben", betont Pater Karl Schauer, der fast 25 Jahre lang Superior in diesem berühmten Wallfahrtsort war. Sicher habe die Wallfahrtstradition der Burgenländer mit ihrer Herkunft und mit der Armut, die weit in unsere Zeit hineinreicht, zu tun, so der Bischofsvikar. Wallfahrt war bis hinein in die Nachkriegszeit die einzige Möglichkeit, aus der Enge des Alltags auszubrechen und Neues zu erleben. "Wallfahrt war für die arme Bevölkerung oft die einzige Möglichkeit, das umzusetzen, was man heute als Urlaubsreise bezeichnen würde. Und doch wäre es ganz falsch, Pilgern und Wallfahrten als etwas für die 'einfachen Leute' abzutun", so Schauer.
Im Spiegel der Geschichte
In der josephinischen Zeit wurde die Wallfahrt untersagt, in anderen Zeiten war sie politisch motiviert, in der Nachkonzilszeit der 60er Jahre wurde sie oft belächelt. In den letzten Jahrzehnten hat die Wallfahrt aber eine neue Faszination erlebt, nicht geplant, nicht organisiert, nicht auf Schreibtischen entworfen. Sie entspricht viel eher der Sehnsucht der Menschen und bringt Leben und Glauben, Wirklichkeit und Hoffnung in Einklang. Der lang vergessene Jakobusweg nach Santiago de Compostela ist wieder zu einer der Hauptstraßen Europas geworden. Und wenn Pilgerwege im Mittelalter noch mit Buße, Ablass und Strafe assoziiert wurden, werden diese heute sogar als boomende Destination in illustren Reisekatalogen angeboten.
Eigentlich kommt die Wallfahrt aus der Wahrheit Gottes
"Eigentlich kommt die Wallfahrt aus der Wahrheit Gottes. Er ist der, der die Ur-Initiative ergriffen hat. Er ist der, der unermüdlich auf uns zugeht: In der Schöpfung am Anfang der Welt und in der Erlösung als Anfang eines neuen gottgewollten Lebens. Gott ist keine Ideologie, keine Vertröstung, sondern das Du auf Augenhöhe. Er nimmt den Menschen in seinen Blick, er geht auf den Menschen zu, er ist immer unterwegs zu uns, er ist eigentlich 'der' Wallfahrer! Sein Ziel ist der Mensch", betont der Bischofsvikar.
Die Wege unseres Lebens sind Pilgerwege
Wallfahrt hat immer mit der Ehrlichkeit des Lebens zu tun, sie ist keine Ausnahmesituation. Stattdessen verdichtet sie die Grunderfahrungen des Lebens. "Sie ist Aufbruch, nicht Flucht. Sie ist Gemeinsamkeit, nicht solistische Selbsterfahrung. Sie ist Abenteuer, nicht langweiliger Trott. Sie kennt ein Ziel, sie ist Begegnung und sie führt immer in das Leben zurück, oft mit mehr Zuversicht, mit größerer Freude. Einfach gesagt: Pilger erfahren etwas, was ihnen 'gut' tut und was sie deshalb immer wieder suchen", so Pater Karl Schauer. Darüber hinaus betreffe Wallfahrt "den ganzen Menschen, Leib, Seele und Herz, den Menschen mit seiner Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, mit seiner unbändigen Sehnsucht nach Zielen und mit der Ahnung, dass es im Leben mehr gibt als Geld, Konsum, Leistung, Versagen und Gelingen".
Aufbruch und Abenteuer – Das Naheliegende neu entdecken
Aufgrund der Corona-Pandemie und der internationalen Maßnahmen werden Flugreisen und große Unternehmungen für die nächste Zeit nur in eingeschränkter Form möglich sein. "Daher möchte ich die Pilgerleiter, die Erwachsenen, die Jugendlichen, die Kinder, die Alten einladen, das Naheliegende neu zu entdecken. Nicht die Größe oder Entfernung eines Pilgerortes ist das Ausschlaggebende, am Anfang muss die Sehnsucht nach einem Ziel geweckt werden", so Pater Karl. Das Ziel macht Lust auf das große Abenteuer der Begegnung mit dem Fremden, dem Unbekannten, dem Vergessenen, aber auch mit dem Vertrauten, dem Erhofften, Ersehnten und mit DEM, der unser Leben heilt. "Achtsamkeit und Dankbarkeit, Hoffnung und Vertrauen, Not und Enge, Freude und Zuversicht können die Beweggründe für den Aufbruch sein. Pilgerorte, und mögen sie noch so klein und unbedeutend sein, sind immer auch Stätten der Gastfreundschaft, offen und einladend. Die Heiligen, die in den Wallfahrtsorten verehrt werden, und die Wallfahrerkreuze entlang der Wege zeigen uns, dass es sich immer noch lohnt mit Gott zu gehen, auf ihn zuzugehen und mit ihm zu rechnen. Es pilgert sich anscheinend doch leichter, wenn du im Namen Gottes gehst und aufbrichst", betont der Bischofsvikar überzeugt.
Pilgergebet
Herr Jesus Christus,
Du bist der Weg und das Leben.
Wir sind gemeinsam unterwegs zu Dir.
Begleite uns auf den Wegen unseres Lebens.
Schenke uns Kraft,
Bewahre uns vor allem Bösen,
zeige uns den Weg zur Wahrheit.
Und führe uns ans Ziel.
(P. Karl Schauer)