
"Gott und den Menschen nahe" – Frischer Wind in den Pastoralen Diensten
Ein Jahr nachdem die Abteilung Pastorale Dienste durch Diözesanbischof Zsifkovics ins Leben gerufen wurden, schuf Abteilungsleiter Richard Geier gemeinsam mit seinem Team vier Leitprojekte – Ziel: Förderung neuer Formen der Zusammenarbeit und Eröffnung neuer Begegnungsmöglichkeiten
Eisenstadt – Vor etwas mehr als einem Jahr wurden die Pastoralen Dienste durch den Zusammenschluss von Pastoralamt und der Katholischen Aktion geschaffen und Richard Geier zum Leiter der Abteilung bestimmt. Aufgrund dieser Veränderung und einer selbstkritischen Betrachtungsweise entstand die Idee, anhand von Leitprojekten die Arbeit stärker zu vernetzen und die Zusammenarbeit der Referate, Bereiche, SachbearbeiterInnen zu unterstützen. "Wir wollten wissen: Wo liegen denn eigentlich unsere Schwierigkeiten in der Pastoral?", so Richard Geier. "Was ist das Wesentliche? Was erwarten die Menschen von uns? Wie können wir besser auf die Erwartungen der Menschen reagieren? Das waren Fragen, die sich uns stellten", erinnerte sich der Leiter der Pastoralen Dienste.
Auf der Suche nach Antworten erarbeitete er mit seinem Team vier Leitprojekte mit unterschiedlichen essentiellen Schwerpunkten, die unter dem Motto "Gott und den Menschen nahe" vorgestellt wurden: "Dem Evangelium ein Gesicht geben", "Den göttlichen Schatz im Acker des Lebens finden", "Die Menschenfreundlichkeit Gottes in der Kirche leben" und "Solidarisch mit der Welt handeln". Die Samen sind gesät.
Gottes Wort mit dem Leben der Menschen verbinden
"Das erste Leitprojekt 'Dem Evangelium ein Gesicht geben' trägt dem Rechnung, dass die Menschen uns eigentlich nicht mehr verstehen. Wer heute in den Gottesdienst kommt, taucht in eine ganz fremde Welt ein. Diejenigen, die uns nicht verstehen, bleiben aber weg", so nüchtern betrachtet Richard Geier die Realität und die Herausforderung durch "Sprachbarrieren". Eigentlich bezögen sich alle vier Leitprojekte, auf die Frage "Wie kann ich die Menschen ansprechen, die ich aktuell nicht ansprechen kann", unterstreicht der Leiter der Pastoralen Dienste die Bedeutung einer erneuerten, adäquaten Kommunikation und Glaubensvermittlung.
Dies gälte auch für die Bibel, den Grundlagentext des christlichen Glaubens. "Im Grunde braucht man dafür eine Übersetzung, die theologisch verantwortet ist, aber die natürlich auch existentiell anspricht, sodass man Verbindungen schaffen kann zwischen seinem Leben und dem, was in der Heiligen Schrift erzählt wird. Das heißt, dass das Leben der Menschen, ihre Sorgen, Nöte, die Hoffnungen und Freuden in dieser Sprache vorkommen", so Geier weiter. Wichtig wäre, sich vor Augen zu halten, dass es im Gottesdienst, in der die Hl. Schrift vorgelesen wird, nicht nur um die Formulierung des Glaubens ginge, es müsse auch die Feier des Lebens mehr Platz haben. Die Lebenswelt(en) der Menschen in die Sprache der Kirche und somit in die Kirche hereinzubringen, bedeute aber vor allem Begegnung zu suchen. "Tatsache ist, wir brauchen neue Begegnungsmöglichkeiten mit den Menschen. Wir müssen auf sie zugehen, nicht immer nur warten, dass sie zu uns kommen, sondern raus aus unseren Kirchen und mit den Menschen Anknüpfungspunkte finden", betont Geier. Weg von einer exklusiven Sprache, hin zu einer inklusiven Pastoral.
"Ich brauch bloß die Augen aufzumachen und kann sagen: Gott ist bei mir"
Das zweite Leitprojekt der Pastoralen Dienste "Den göttlichen Schatz im Acker des Lebens finden" hinterfragt das Gottesbild und thematisiert Spiritualität. Warum das von zentraler Bedeutung ist, erläutert Geier aus drei Gesichtspunkten: der generellen Vorstellung, seiner persönlichen Erfahrung und einer theologischen Auseinandersetzung.
"Wir haben noch immer die antike, die vormoderne Weltsicht, da unser Christentum in der Antike entstanden ist. Doch Gott ist für heutige Menschen nicht mehr der Mann mit dem langen weißen Gewand, mit dem langen weißen Bart, der auf einem Thron sitzt. Darüber lachen sogar die Kinder", zeigt der Leiter der Pastoralen Dienste auf. Sein Zugang sei, Gott nicht in der Höhe – außerhalb – zu suchen, sondern in der Tiefe. "Jeder kleinste Lebensprozess ist eigentlich der Ort, an dem göttliches Leben geschieht. Daher versuche ich die Trennung zwischen mir, meinem Leben und Gott zu verkürzen und zu sagen 'Gott lebt in mir'", so Geier über seine Annäherung. Aus der theologischen Perspektive versuche er das dualistische Bild von Gott und Welt zu überwinden. An dessen Stelle müsse ein Akt der Mystik treten, "indem ich die Einheit mit Gott in meinem Leben erfahre – so wie Jesus Christus, der das im Evangelium an vielen Stellen bezeugt: Das Reich Gottes ist in euch (Lk 17,21). Oder: Ich und der Vater sind eins (Joh 10,30)."
Für Richard Geier ist dieses Bild "eine schöne Vision, wie man auch anders glauben kann" und eines, das besonders seit der Corona-Krise an Bedeutung gewann. "Man wird die Corona-Krise nicht bewältigen indem man Gott bittet, dass er das Virus von uns nimmt. Meine Vorstellung ist, dass Gott mit uns in dieser Pandemie leidet, mit den vielen Kranken, mit den vielen, die gestorben sind. Ich glaube, dass wir mit Gott einen Weg durch diese Krise finden müssen. Mit der Hoffnung, dass wir letztendlich auch von Gottes Hand und von Gottes Geborgenheit getragen sind, dass er mit uns geht. Gott ist nicht derjenige, der die Naturgesetze außer Kraft setzt, sondern er selbst ist in den Naturgesetzen präsent, denn er hat alles erschaffen."
"Die größte Lüge in der Geschichte der Theologie ist, zu behaupten, dass wir Menschen von Gott getrennt sind. Daher glaube ich, dass man die Menschen dazu inspirieren muss ihr Leben so zu leben, dass sie das Gefühl haben 'Gott ist mit mir verbunden, ich brauch bloß die Augen aufmachen und kann sagen: Gott ist bei mir'", betont Geier.
Machtstrukturen überwinden – Die Menschenfreundlichkeit Gottes in der Kirche leben
Im dritten Leitprojekt der Pastoralen Dienste "Die Menschenfreundlichkeit Gottes in der Kirche leben" geht es um die Erkenntnis, "dass wir als Kirche uns anstrengen müssen, einen anderen Stil im Umgang mit den Kirchenmitgliedern, Pfarren aber auch mit der Welt zu finden", so Geier. Man brauche neue Möglichkeiten, um sich zu begegnen und müsse Machtstrukturen überwinden. Ziel sei es, dass man den Menschen eine Idee von Kirche vermitteln könne, eine Idee vom Reich Gottes, die sie in ihrem Leben zusammen mit der Kirche verwirklichen können. Dazu brauche es viele neue Ideen über das Miteinander zwischen Mensch und Kirche, einen neuen Stil. "Ich sag immer gerne: Aus einer 'Komm-her-Kirche' muss eine 'Geh-hin-Kirche' werden. Wir sind aufgefordert zu den Menschen zu gehen. Wir möchten eine nachgehende Pastoral leben, die sich nicht scheut, die eigene Kirche, das eigene Kirchengebäude auch einmal zu verlassen", so der Leiter der Pastoralen Dienste.
Die Corona-Krise, besonders die leeren Kirchen während der Gottesdienste der Osterfeiertage, habe deutlich gemacht, dass die Pastoral wie sie gewesen ist, nicht mehr zeitgemäß sei. "Es hat uns gezeigt, dass im Grunde die leeren Kirchen auch leere Gräber waren. Wir müssen das leere Grab verlassen, weil wir den Lebenden, den Auferstandenen nicht bei den Toten finden, nicht im leeren Grab, sondern in Galiläa – überall dort, wo sich Menschen auf die Suche machen, ohne Landkarte, ohne Plan", betont Geier. Es sei wichtig, sich mit diesen vielen Menschen, die auf dem Weg sind, zu solidarisieren, zu verbinden. Denn "auch wir als Kirche sind auf der Suche..."
Pflicht zur Einmischung – Solidarität mit der Welt und der Gesellschaft
Das vierte Leitprojekt "Solidarisch mit der Welt handeln" konkretisiert Gedanken zu und Ansätze von Solidarität. "Wir haben künftig jeden Boden verloren, wenn wir uns als Kirche nicht einsetzen für Dinge, für die sich die Menschen einsetzen, wie die Bewahrung der Schöpfung, nachhaltige, klimaschonende Projekte, Gerechtigkeit und Frieden, für die Menschenwürde, gegen Rassismus und Unterdrückung", so Geier. Als Kirche müsse man sich einbringen und zusammentun mit den Menschen, die für eine bessere Welt kämpfen. Bleibe man untätig, dann werde man unglaubwürdig. "Nur beten alleine bringt nichts", darin ist sich der Leiter der Pastoralen Dienste sicher. "Es ist sicher für das eigene Wohl ganz gut, aber Mystik und Politik gehören zusammen: Gebet und der Einsatz für die Menschen."
"Wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren"
Die vier Leitprojekte wurden durch die Impulse inspiriert, die Papst Franziskus im Laufe seines Pontifikates bisher setzte, von "Evangelii Gaudium" bis zu "Laudato Si". Darauf aufbauend liegt der Fokus der Projektarbeiten der Pastoralen Dienste auf der Arbeit nach innen und außen, neuen Formen der Zusammenarbeit und Eröffnung neuer Begegnungsmöglichkeiten.
Wertvolle Unterstützung erhält Richard Geier von Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics, der seine Wünsche für die neue Richtung und Gestaltung der Pastoralen Dienste umgesetzt sieht. "Wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren. Wir können nicht mehr so weitermachen wie bisher", sagt Bischof Ägidius. "Daher ist es die Aufgabe der Pastoralen Dienste wesentliche Dinge zu bewegen – im Sinne des Papstes, im Sinne des Bischofs, im Sinne unserer Kirche", betont Geier.
Nicht umsonst spiegelt sich in den vier Leitprojekten unter dem Motto "Gott und den Menschen nahe" das Leitwort der Diözese "Für die Menschen da" wider. "Es geht wirklich um eine Bekehrung der Kirche zu den Menschen. Dabei möchte ich mithelfen", so Geier, "Gott sei Dank habe ich MitarbeiterInnen, die auf diesen Zug jetzt ganz stark aufspringen...".
Nora Demattio, BA