
Als Bischof im "Beichtstuhl" der Nation
ORF feiert Talk-Queen Barbara Karlich mit großem Hauptabend-Special zum 20-jährigen Jubiläum ihrer Show – Eisenstädter Bischof feiert als Gratulant in der Sendung mit – Zsifkovics: "Von ihr können wir alle lernen, dass man nicht über die Menschen, sondern mit den Menschen reden muss!"
Eisenstadt / Wien – Gestern, Mittwoch (23.10.), ab 20.15 Uhr feierte der ORF das 20-jährige Bestehen eines seiner erfolgreichsten Formate: Österreichs Talk-Queen und Jubilarin Barbara Karlich gab sich im Rahmen einer bereits im Vorfeld aufgezeichneten Sendung mit zahlreichen Gästen wie u. a. Dirk Stermann und Christoph Grissemann, Waltraut Haas, Semino Rossi, Erik Schinegger und Chris Lohner die Ehre. Mit auf den Publikumsrängen im Studio der Eisenstädter Bischof Ägidius J. Zsifkovics, der Karlich ganz bewusst die Referenz erwies, "um ihr sehr spezielles Wirken für die Menschen zu würdigen und auf die latent vorhandene jesuanische Dimension ihrer Herangehensweise hinzuweisen."
Wertschätzung der Person statt zynischer "Hauch der Verachtung"
Es war eine gute Idee der Sendungsmacher, das Moderatoren-Duo Stermann und Grissemann als eine Art "Balkonmuppets" durch die Sendung führen zu lassen. In ihnen und ihrem markanten Stil – sei er authentischer menschlicher Ausdruck oder Maske oder die geniale Zusammenführung von beidem zu einem funktionierenden Geschäftsmodell – bildet sich tatsächlich ein anderer, zu Karlichs Show diametral entgegengesetzter Zugang zur Person ab. So entgegengesetzt, wie vermutlich auch das Publikum beider Publikumsformate. "Warum macht ihr euch über eure Gäste lustig. Und wieviel ist überhaupt erlaubt, wenn man sich lustig macht?", fragte die Jubilarin, die dafür bekannt ist, selbst ihre bizarrsten Sendungsgäste würde- und respektvoll zu behandeln, das deutsch-österreichische Erfolgsduo vor laufender Kamera. Fragen, die im gegebenen Rahmen freilich nicht mit moraltheologischer Akribie beantwortet wurden, sondern wieder nur mit einem stilgetreuen, das eigene Geschäftsmodell und die Erwartungen des Publikums erfüllenden Satz Grissemanns "Ein echter Hauch Verachtung ist ja immer da, zumindest, was Stermann betrifft." So führten Karlich und ihre Gäste unterhaltsam durch einen Rückblick auf 20 Jahre der bewegenden Momente, Outings und heiklen Themen, allesamt jedoch stets angegangen mit viel Respekt, Wertschätzung und Humor.
Zsifkovics: Enorme psychohygienische Bedeutung
Dem immer wieder gebrachten Argument, die Barbara Karlich SHOW sei letztlich Sozialpornografie, kann der Eisenstädter Bischof im Interview mit dem Pressesprecher der Diözese Eisenstadt Dominik Orieschnig, der ebenfalls zu den geladenen Studiogästen der Jubiläumssendung zählte, nichts abgewinnen: "Ja, es kommen bei ihr Dinge zur Sprache, die einem als Zuseher vielleicht peinlich sind. Aber dadurch kommen auch Menschen zur Sprache, die nirgendwo anders gehört werden. Das sind oft Menschen, deren Lebenswege nicht schnurgerade sind und die an Klischees und Vorurteilen der Gesellschaft zu zerbrechen drohen. Sehr oft sind es Menschen, die es wahrlich nicht leicht haben, die auf der falschen Seite der Straße, zur falschen Zeit, am falschen Ort oder etwa im falschen Körper geboren wurden. Wir werden wahrscheinlich nie ermessen können, wie viele Menschen bei ihr die Chance bekommen haben, über ihr Leben zu reden und sich so ein Stück weit aus dem Sumpf zu ziehen und durch neue, offene Türen zu gehen."
Ein möglicher Bußakt, wenn auch ohne sakramentalen Charakter
Ob das nicht schon fast nach Beichte und Neubeginn im kirchlichen Sinn klingt? Dazu Bischof Zsifkovics lachend: "Könnte Barbara Karlich auch noch die Absolution erteilen, wäre ihre Show der Beichtstuhl der Nation und wir Priester wären arbeitslos! Aber im Ernst: Natürlich besteht ein himmelhoher Unterschied zwischen psychohygienischer Selbstausschüttung im Fernsehen und dem kirchlichen Sakrament der Versöhnung. Auch ist es durchaus nicht so, dass menschliche Verhaltensweisen und Lebensentwürfe, nur weil sie den Applaus eines Studiopublikums erhalten, automatisch ein moralisches Gütesiegel mit dazu bekommen würden. Die Qualität menschlichen Verhaltens ist nur messbar an seinen tatsächlichen Auswirkungen auf andere. Wir sind als Menschen unentrinnbar auf ein Du hin angelegt, gegenüber Gott und dem Nächsten. Ist es wirklich genug zu sagen, ich verwirkliche jetzt alle meine eigenen Wünsche und Vorstellungen, seien sie familiär, sexuell, beruflich oder wirtschaftlich, und pfeife öffentlich auf die Gefühle, Bedürfnisse und Rechte aller anderen? Das Evangelium und die Kirche sagen uns da etwas ganz anderes."
"Jesuanische Dimension" einer Talk-Show
Worin besteht dann der spirituelle Mehrwert der Sendung? Ägidius J. Zsifkovics: "Tatsächlich gab es früher im kirchlichen Bereich eine sehr ausgeprägte Form des öffentlichen Bußaktes in Gemeinschaft. Man bekannte öffentlich vor den anderen Gläubigen. Und auf diese wirkte die offene und schonungslose Art der Selbstanklage oder Selbstentäußerung, gewissermaßen der Seelenstriptease eines Einzelnen, katalytisch auf alle anderen, so dass sie selbst sich ihrer eigenen Probleme und Unzulänglichkeiten bewusst wurden. Es entstand ein kollektives Empfinden: Wir alle machen Fehler, wir alle sind oft schwach, wir alle haben Bedürfnisse – doch wir alle werden geliebt und haben jeden Tag die Chance, unser Leben zum Guten zu ändern! In der Barbara Karlich SHOW sehe ich etwas davon erhalten geblieben. Weil es in ihrer Sendung keine moralischen Selbsterhöhungen durch die Gastgeberin gibt, gibt es logischerweise auch keine Erniedrigungen der Gäste. Barbara lässt das, was nach gesellschaftlichen Maßstäben nicht sein dürfte, doch da sein und lässt darüber im geschützten, klar abgesteckten Rahmen reden. Was in ihrem Studio geschieht und gesprochen wird, wirkt stark katalytisch auf die anderen, ähnlich wie im antiken Amphitheater, und natürlich hat das auch etwas Jesuanisches, weil keine Steine aus der Runde auf den Sünder geworfen werden. Und selbst dort, wo ein Outing Widerspruch oder gar Empörung hervorruft, hat es seinen großen psychohygienischen Wert in einer Gesellschaft zunehmend genormter, auf Funktionieren, Uniformität und Leistung getrimmter Lebensentwürfe. Es ist gut, einen Ort zu haben, an dem man sich auch mal aufregen und schimpfen darf. Und dieser Ort ist die Barbara Karlich SHOW und die Wohnzimmer der Österreicher!"
"Die" Karlich: Ein glücklicher Mensch
Stargäste wie Schlagerstar Semino Rossi, die 92-jährige Schauspielerin Waltraud Haas, TV-Legende Chris Lohner, der querschnittsgelähmte Extremsportler Thomas Geierspichler und der homosexuelle Schweizer Fernsehmoderator Kurt Aeschbacher sprachen im Laufe der Sendung über deren persönlichen Bezug zur Sendung, zudem gab es ein Wiedersehen mit Höhepunkten der "Karlich SHOW"-Geschichte. Besonders berührend war die Gesamtanmutung Semino Rossis, der Einblick in seinen langen und schwierigen Weg zum Erfolg gab. Sein Kompliment an Barbara Karlich – "Du gibst unserer Art von Musik immer einen besonderen Respekt, deshalb habe ich deine Show immer gern geguckt!" – ließ mitschwingen, was die Show seit jeher ausmacht: Menschen Raum und Gehör zu geben, unabhängig von Klasse, Rasse, Geschlecht und Weltanschauung. Und als der anwesende Studiopsychologe glückliche Menschen als solche definierte, die in ihrem Schaffen aufgehen und dabei gleichzeitig für andere da sind, skizzierte er wohl zutreffend die Jubilarin des Abends und ihr Talent, für andere da zu sein, ohne jemals den Respekt und ihr gewinnendes Lachen zu verlieren.
Am 27. Oktober 1999 hieß es zum ersten Mal "Willkommen bei der 'Barbara Karlich Show'". Seither wurden 3801 Ausgaben der ORF 2-Talkshow produziert, waren 351.090 Menschen im Studiopublikum und 33.000 Talkgäste nahmen auf der Bühne Platz. Doch nicht nur die Sendung selbst brach Rekorde: Mehr als ein Dutzend Gäste waren selbst Weltrekordhalter in diversen Disziplinen. Und auch der Liebe wurde in der Show reichlich gehuldigt: Insgesamt wurden 50 Heiratsanträge auf der Bühne gemacht.
Als gebürtige Burgenlandkroatin engagiert Barbara Karlich sich u.a. als Präsidentin der von Bischof Ägidius J. Zsifkovics gegründeten internationalen Vereinigung der Burgenlandkroaten "Hrvat S.A.M." mit kultureller und karitativer Zielsetzung. Erst vor wenigen Tagen war sie in Zagreb, um ein von der Vereinigung getragenes Hilfsprojekt für die Kinder von Vukovar zu präsentieren.