Mitbauen am gemeinsamen Haus Europa
Frühjahrsvollversammlung der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE) mit Besuch von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vom 13.-15. März in Brüssel ruft mit Nachdruck die Menschen auf, zur kommenden Europawahl zu gehen – Bischof Ägidius J. Zsifkovics, der die Österreichische Bischofskonferenz in Europa vertritt: "Es geht darum, das Mitbauen am Gemeinwohl im gemeinsamen Haus Europa nicht nur als staatsbürgerliche Möglichkeit, sondern als christliche und menschliche Pflicht zu verstehen" – Forderung u.a. nach mehr politischem Einsatz für soziale Gerechtigkeit, gegen die skandalöse Lebensmittelverschwendung und Waffenexporte
Brüssel – In rund zwei Monaten werden die EU-Bürger die Mitglieder des Europäischen Parlaments wählen und damit die Zukunft und Gesetze Europas für die kommenden fünf Jahre bestimmen. "Die aktuelle Versammlung der EU-Bischöfe fällt in eine Zeit, die für unseren Kontinent nicht wichtiger sein könnte. Europa ist vor der Wahl mit einem gesellschaftlich schwierigen Klima konfrontiert, das verstärkt wird durch den chaotischen Brexit und die Zunahme extremer politischer Positionen in verschiedenen europäischen Ländern", so Bischof Ägidius J. Zsifkovics, der die Österreichische Bischofskonferenz auf europäischer Ebene vertritt. Mit Nachdruck appelliert der Europabischof "nicht nur an Katholiken, sondern an alle Menschen guten Willens, zur kommenden Wahl zu gehen und am gemeinsamen Haus Europa mit zu bauen." Das Statement "Rebuilding Community in Europa" der COMECE steht auf der Homepage der COMECE zum Download zur Verfügung (http://www.comece.eu/eu-bishops-launch-statement-in-view-of-the-2019-eu-elections).
Integrative Kraft der Kirche in instabilen Zeiten
In Zeiten der Destabilisierung, der Desorientierung und Verunsicherung sei die gesellschaftlich integrative Kraft der Kirche besonders gefragt: "Indem die Kirche daran erinnert, dass wir alle Kinder Gottes sind, erinnert sie zugleich die Staaten daran, sich als Geschwister zu betrachten und zu verhalten. Schließlich sollten in allen Entscheidungen das Interesse des gesamten Kontinents und letztlich der Menschheit bzw. des Humanen selbst im Auge behalten werden", betont Bischof Zsifkovics im Rahmen der COMECE-Frühjahrsvollversammlung, an der auch Kommissionspräsident Jean-Claude Jucker teilgenommen hat (siehe auch die aktuelle Pressemeldung der COMECE auf http://www.comece.eu/praesident-juncker-im-dialog-mit-den-eu-bischoefen).
Christliche Werte in der Politik
Die COMECE sieht es als wichtige Aufgabe an, nach der Wahl mit den politischen Vertretern und Funktionären ins Gespräch zu kommen: "Wir wollen einen intensiven Dialog führen, auch und gerade über die Umsetzung christlicher Grundwerte und eines christlichen Menschenbildes", so der Bischof. Dabei haben die EU-Bischöfe durchaus Prognosen im Blick, die von einer Zunahme EU-und europaskeptischer Stimmen ausgehen.
Bischöfe Großbritanniens weiterhin dabei
Während mit dem Brexit Europa aktuell von Trennung statt von Einheit geprägt ist, positioniert sich die COMECE als bewusstes Gegenmodell zu Spaltung und Trennung: "Wir haben beschlossen, dass die Bischöfe Großbritanniens auch künftig ihren Platz in der COMECE-Versammlung haben sollen. Dort, wo die politische Logik und Eigendynamik versagt, müssen wir als Kirche positiv vorangehen", sagt der Europabischof.
Mehr Anstrengung für soziale Gerechtigkeit
Vom neu gewählten Europaparlament erwarte sich Bischof Zsifkovics eine stärkere Fokussierung für soziale Gerechtigkeit, eine Aufgabe, die auch von Papst Franziskus als besonders dringlich eingestuft wurde: "Diese Frage braucht mehr politischen Einsatz, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter besorgniserregend anwächst und der Mittelstand immer stärker belastet wird." Weitere dringliche politische Agenden müssten u.a. "Initiative gegen die skandalöse Verschwendung von Nahrung auf dem europäischen Markt – wir sprechen hier von jährlich 80 Millionen Tonnen weggeworfenen Lebensmitteln (!) – sowie eine tatsächlich wirksame Initiative gegen Waffenexporte sein. Diese Waffenexporte verstärken die Massenmigration von Menschen aus Kriegsgebieten im Nahen Osten und in Afrika. Trotz bestehender Verbote exportieren nach wie vor Staaten Panzer und andere Kriegsgeräte und machen mit diesen todbringenden Waffen Geschäfte", spricht Bischof Zsifkovics bei der COMECE-Versammlung Klartext. Die COMECE macht sich außerdem für weltweite soziale Standards gegen Billigarbeit und die Ausbeutung von Arbeitskraft stark.
Politik muss Alltagssorgen ernstnehmen
Von den Regierungschefs erwartet sich der Europabischof, dass sich die Politik tatsächlich und wahrhaftig den täglichen Sorgen und Nöten der Menschen widmet. "Eine Hauptfrage ist für mich: Wie können wir eine Wirtschafts- und Sozialpolitik auf den Weg bringen, die den Menschen, den Familien und der Gemeinschaft dient", so Bischof Zsifkovics. Mit Nachdruck fordert der Bischof eine "gesamteuropäische Solidarität" beim Thema Asyl und Migration: "Ohne diese kann Europa auch nicht seinen eigenen Bürgern dienen. Es braucht, wie Papst Franziskus sagt, Solidarität in Weisheit. Das heißt eine Solidarität, die freilich auch umsetzbar und verkraftbar sein muss."
Juncker warnt vor Nationalismus
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei seinem Besuch der COMECE-Vollversammlung: "Europa geht es nicht gut, aber besser als man denkt. Europa muss als inklusives, nicht als exklusives und ausgrenzendes Projekt verstanden werden. Was Papst Johannes Paul II. gesagt hat, dass Europa mit seinen beiden Lungenflügeln atmen muss, müssen wir für uns wiederfinden. Die Werte des Evangeliums und überhaupt eine Politik, die auf ein werteorientiertes Denken und Handeln nicht vergisst, sind dafür ganz wesentlich." Ausdrücklich warnt der Kommissionspräsident davor, in nationale oder nationalistische Strukturen zurückzufallen: "Das wäre die Selbstaufgabe Europas", so Juncker. Daraus folge jedoch keineswegs, dass das Projekt Europa gegen die Nation gerichtet sei, wohl aber die Zielsetzung eines solidarischen und respektvollen europäischen Miteinanders.
Ausdrücklich teilte der Kommissionspräsident die Kritik der EU-Bischöfe, dass "das soziale Europa unterentwickelt ist. Trotz vieler Richtlinien, etwa zur Vermeidung von Sozialdumping, bleiben viele Ungerechtigkeiten", so Juncker. Die Soziallehre der katholischen Kirche sei dafür ein besonders wichtiger Wertemaßstab, der jedoch zu wenig umgesetzt werde. Wenn Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten weiterhin derart drastisch zunehmen, seien gesellschaftliche Unruhen und Rebellionen in Zukunft nicht auszuschließen. Eine "Tragödie" nennt Juncker das aktuelle Brexit-Chaos. Zugleich ruft er in Erinnerung, dass das europäische Einigungsprojekt ohne Großbritannien genauso wenig denkbar gewesen wäre wie die Befreiung vom Faschismus.