FreuRaum
Der etwas andere Versuch einer Stätte der Freude, des Sein-Könnens, des Miteinanders, der Menschlichkeit und der Chancen am Arbeitsmarkt.
Vorgeschichte
Im Juni 2018 haben acht Menschen eine Genossenschaft gegründet – die FreuRaum eG. Ein Jahr später öffnete der FreuRaum im Herzen von Eisenstadt die Türen und erfreute bis zur aktuellen, vorübergehenden, coronabedingten Schließung nach und nach immer mehr Menschen: Gäste, Genossenschafter_innen, Kooperationspartner_innen, freiwillig Mithelfende, Mitarbeiter_innen und uns Vorstandsmitglieder.
In einer Zeit der Grenzziehungen und zunehmenden Vereinsamung (auch schon vor Coronazeit) wollen wir Räume schaffen, in denen Begegnung möglich ist. Dabei fühlen wir uns einer Ökonomie verpflichtet, die dem Gemeinwohl dient. Wir möchten Generationen an einen Tisch bringen, denn das Zusammenrücken von Menschen erscheint uns als dringliche Notwendigkeit. Dabei sind uns Umweltschutz, Ressourcenschonung, Offenheit, Barrierefreiheit und Gemeinschaft ein Herzensanliegen. Ungleichheit und Ungerechtigkeit möchten wir entgegenwirken.
Und wir möchten Menschen, die in schwierigen Lebenssituationen und von Erwerbslosigkeit betroffen sind, eine Arbeitsmöglichkeit bieten. Wir arbeiten mit dem Arbeitsmarktservice zusammen und beschäftigen erwerbslose Frauen 50+ und Menschen mit Migrationsgeschichte.
Der Sprung ins kalte Wasser
Es sind hehre Ziele, die wir uns gesteckt haben und die wir verfolgen. Zwei Drittel unserer Belegschaft sind geförderte, sogenannte Transit-Arbeitskräfte. Sie sind vielfältig was Herkunft, Alter, Ausbildung, Berufserfahrung, Familiensituation, Dauer der Arbeitslosigkeit und vieles mehr betrifft. Gemeinsam haben sie jedoch eines: sie sind erwerbslos bevor sie zu uns kommen und im FreuRaum ihr Beschäftigungsverhältnis beginnen. Das ist allerdings beschränkt auf sechs Monate mit dem Ziel, die Mitarbeiter_innen danach in den primären Arbeitsmarkt zu vermitteln. Dann wird gewechselt und neue geförderte Arbeitskräfte beginnen bei uns zu arbeiten. Wieder für sechs Monate. Und für uns im Unternehmen beginnt alles von vorn: Einschulung der „Neuen“, das Team formiert sich wieder, jede und jeder soll seinen Platz finden – das gelingt unterschiedlich gut. Die einen finden sich schnell zurecht, andere brauchen länger und manche bleiben bis zum Ende ihrer Zeit leider auch bei uns eher am Rande. Auch kommt es vor, dass Hierarchien entstehen zwischen jenen, die temporär da sind und jenen, die bleiben. Das alles passiert, obwohl es von uns nicht gewollt ist und wir auch versuchen, dem entgegenzuwirken. Es sind wohl gruppendynamische Prozesse, denen schwer zu entkommen ist.
Wir hören viele Geschichten der Menschen. Sie handeln vom Erwerbsleben, vor der Arbeitslosigkeit, den vielen Versuchen, eine Arbeit zu bekommen, von der Unsinnigkeit und auch der Sinnhaftigkeit, kurz vor der Pensionierung noch eine befristete Stelle für sechs Monate anzunehmen – je nachdem, wie das die betroffene Person empfindet. Wir hören auch vom Glück, dass die Arbeit bei uns jemanden aus seiner Depressionsphase wieder herausholen konnte, von der Freude, wieder gebraucht zu werden und unter Menschen sein zu können, von Wünschen, Träumen und Sehnsüchten, ein sinnvolles Leben mit und durch Arbeit führen zu können. Und wir hören auch Geschichten über Angst und Unsicherheit, mit der Frage, was der nächste Job bringt? Findet man einen oder ist es wieder ein langer, arbeitsloser Weg?
Coronazeit im FreuRaum
Die coronabedingte verordnete Schließung traf uns hart. Zunächst wurde viel gerechnet – geht es sich aus, dass wir für unsere Mitarbeiterinnen Kurzarbeit anmelden können oder müssen wir sie kündigen? Was ist mit der sechsmonatigen Befristung der Transitarbeitskräfte? Unterbricht die Kurzarbeit diese sechs Monate oder nicht? Fragen über Fragen. Nach und nach fanden wir Antworten, trafen Entscheidungen und hatten wieder „Boden unter unseren Füßen“. Und dann verschnauften wir ein bisschen, dachten nach – jede für sich – hatten wieder Besprechungen und führten unsere Überlegungen weiter. Ja, es ist schwierig, wenn alle sechs Monate zwei Drittel des Personals wechselt, ja, es ist aufreibend, wenn wir uns verabschieden müssen von liebgewonnenen Mitarbeiter_innen, ja, es ist mehr Aufwand, der uns dadurch zukommt. Und dennoch gibt es ein klares Ja von uns, dass wir auch weiterhin mit diesem Modell arbeiten wollen und weiterhin Menschen, die es schwer am Arbeitsmarkt haben, bei uns willkommen heißen möchten. Und unsere Gäste werden sich auch hoffentlich nach der Wiedereröffnung auch gedulden, wenn vielleicht das eine oder andere vergessen, falsch gebracht oder nicht ganz richtig verstanden wurde.
Zwischen Freud und Leid
Es ist schön, Menschen begleiten zu können, die wieder Hoffnung haben und in der Arbeitswelt Fuß fassen können. Sie bei ihrer Orientierung zu unterstützen, beim wieder-Einfinden in das Arbeitsleben, beim Weitersuchen eines Arbeitsplatzes, manchmal auch beim wieder-lebendig-Werden. Und dann sind auch Momente und Situationen, die traurig machen und traurig sind. Wenn es trotz Bemühungen nicht klappt und wir uns von Menschen trennen müssen oder Menschen sich von uns trennen. Wenn mitunter es einfach auch im Team nicht passt, wenn Erwartungen nicht erfüllt werden können oder Enttäuschungen und Verletzungen entstehen – trotz Achtsamkeit, trotz gutem Willen aller Beteiligten. Auch im FreuRaum liegen Freud und Leid manchmal ganz nah beieinander.