Furchtlose Wohltätigkeit. Eine Utopie?
Vom Mantel des heiligen Martin und anderen Lebens-Mitteln. Gedanken zum 32. Sonntag im Jahreskreis.
Lesejahr B II, 10.11.2024
Schriftworte
Elíja entgegnete ihr: Fürchte dich nicht!
Geh heim und tu, was du gesagt hast!
Nur mache zuerst für mich ein kleines Gebäck und bring es zu mir heraus! Danach kannst du für dich und deinen Sohn etwas zubereiten;1 Könige 17, 13
Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern.
Markus 12, 43
Impuls
Das Beispiel des heiligen Martin – den wir in dieser Woche feiern - verdient genauer betrachtet zu werden.
Martin hat seinen Soldatenmantel geteilt.
Man könnte sich fragen:
Wenn er so mildtätig gewesen ist und der Bettler quasi nackt war - warum hat er ihm dann nicht einfach seinen ganzen Mantel gegeben?
Antwort:
Der Mantel gehörte nur zur Hälfte ihm selbst - die andere Hälfte war sozusagen im Staatsbesitz. (Man könnte es auch so ausdrücken: Für die Hälfte seiner Uniform musste der Soldat selbst aufkommen.)
Das, was ihm gehörte, worüber er tatsächlich selbst verfügen konnte, das gab er dem Bedürftigen.
Die Lesungen dieses Sonntags, kurz vor dem Martinsfest, stellen uns in Frage.
- Was bin ich bereit zu geben?
- Was brauche ich?
- Was meine ich zu brauchen, obwohl ich es vielleicht nicht wirklich benötige?
- Was sind meine Lebens-Mittel?
- Wovon lebe ich?
Warum hat Martin geteilt?
Weil er im Nächsten Christus erkannt hat.
Warum haben wir in Österreich ein so ausgebautes Sozialsystem?
Weil laut unserer Verfassung gilt: "Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich." (Artikel 7)
Welche Rechte besitze ich? Einfach, weil ich Mensch bin? In einem Sozialstaat geht es um eine gerechte Umverteilung. Nicht aus Mildtätigkeit, sondern aufgrund Rechtsanspruchs.
Ob ich andere unterstütze, indem ich etwas spende, obliegt immer meiner persönlichen Einschätzung, meinem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden – und meinen Möglichkeiten.
Motivation dazu gibt mir meine Gesinnung: Mein Verhältnis zu meinen Mitmenschen und zur Mitwelt – und wohl immer auch mein Glaube. Selbstliebe – Gottesliebe – Nächstenliebe.
© nikfai