
Glaube auf den zweiten Blick
Wunderst du dich, dass ich staune?
Schriftworte
Als Petrus das sah, wandte er sich an das Volk: Israeliten, was wundert ihr euch darüber?
Apostelgeschichte 3, 12a
Da sagte er zu ihnen: Was seid ihr so bestürzt? Warum lasst ihr in eurem Herzen Zweifel aufkommen?
Lukasevangelium 24, 35
Impuls
Staunen hat eine besondere Qualität:
Ich staune, wenn mir etwas begegnet, mit dem ich nicht gerechnet habe. Etwas, was meinen Horizont übersteigt. Was ich vielleicht noch nie gesehen oder gehört habe.
Wenn ich unvoreingenommen an die Sache rangehe, mich betreffen lasse, kann mir das einen neuen Erkenntnisgewinn bringen.
Manchmal sagt man, dass Glaube mit Staunen beginnt.
In den Bibelstellen des 3. Sonntags der Osterzeit geht es jedoch nicht ums Staunen.
Vielmehr wird hier davon berichtet, dass Menschen sich wundern.
Das hat eine völlig andere emotionale Färbung: Wenn man sich wundert, dann deshalb, weil man mit etwas Bekanntem konfrontiert wird, das sich allerdings nicht in gewohnter Weise zeigt.
Ich bringe bei der Verwunderung also ein Vorverständnis mit. Eine Erwartungshaltung. Und wenn diese nicht erfüllt wird, dann ist meine Reaktion meist ablehnend.
Glaube, ernst genommen, existentiell verstanden, „fällt nicht vom Himmel“. Sondern ist eine Entscheidung aufgrund einer Reflexion.
Sowohl das Staunen als auch das Wundern passieren überraschend. Beides kann ich nicht steuern.
An mir selbst liegt es allerdings, wie der nächste Schritt aussieht:
Lehne ich ab, weil mir das, was mir widerfährt, mit meinem Weltverständnis nicht übereinstimmt; ich mir gerade keine Infragestellung erlaube; ich meine Gewohnheiten nicht zu ändern bereit bin?
Oder lasse ich mich betreffen, lasse ich mich ansprechen, weil ich dem Augenblick die Chance gebe, mich mit einer neuen Frage zu konfrontieren?
Glaube ist nichts, was en passant passiert. Glaube verlangt mutige Entschiedenheit. Oftmals erst auf den zweiten Blick.
© nikfai