Juden als unverzichtbarer Teil burgenländischer Kultur
Die ersten jüdischen Siedler gab es im Burgenland schon im 14. Jahrhundert. Doch das jüdische Leben erblühte in den Dörfern erst, als Fürst Paul I. Esterhazy (1635-1713) vor 350 Jahren 3.000 Juden aufnahm, die wegen der von Kaiser Leopold im Jahr 1670 verfügten Enteignung und Vertreibung – "Zweite Geserah" (die erste fand 1420 statt) – aus Wien fliehen mussten. Rund 3.000 Personen, die sich zum orthodoxen Judentum bekannten, erhielten in den "Sieben-Gemeinden" das Ansiedlungsrecht. Die Gebildetsten unter ihnen lebten in Mattersburg und Deutschkreutz, wo sich bedeutende Lehranstalten (Jeschiwot) befanden.
Erinnerungsleistungen jüngerer kirchlicher und politischer Geschichte
Ebenfalls ins Diözesanjubiläum hineingenommen werden kann ein jüdisch-christlicher Meilenstein für die Regionalgeschichte, aber weit darüber hinaus: Es war vor 50 Jahren, im Herbst 1969 und kurz vor dem 300-Jahr-Jubiläum der "Sieben-Gemeinden", als der Plan des Bibelwerks-Präsidenten Prof. Kurt Schubert (1923-2007) zur Errichtung eines jüdischen Museums in Eisenstadt konkrete Formen annahm.
Kurt Schubert war 1938 bis 1945 im österreichischen katholischen Widerstand der Gruppe um Prälat Karl Strobl engagiert. Er wurde dann Pionier und Doyen der Judaistik im deutschsprachigen Raum. Die politische Initiative kam vom damaligen Landesrat für Kultur und späteren Bundeskanzler Fred Sinowatz. Er war dann später, von 1999 bis zu seinem Tod im Jahr 2008, Präsident des Vereins "Österreichisches Jüdisches Museum in Eisenstadt".
Eisenstadt hatte erstes jüdisches Museum nach 1945
Das Museum wurde 1972 als erstes jüdisches Museum in Österreich nach 1945 eröffnet. Das Österreichische Jüdische Museum hatte das große Glück, sich in einem historischen Gebäude der ehemaligen Judengasse von Eisenstadt einrichten zu können. Es befindet sich im "Wertheimer'schen Freihaus", somit in einem Gebäude, das jahrhundertelang ein wichtiges Haus in der großen jüdischen Gemeinde war.
Prof. Schubert ist auch die von Kardinal Schönborn im Oktober 1998 eingeweihte Gedenktafel auf dem Judenplatz in Wien mitzuverdanken. Sie enthält ein Eingeständnis des christlichen Versagens angesichts der Ermordung der europäischen Juden und nimmt Bezug auf die "Erste Geserah" vor aktuell genau 700 Jahren (1419-1421), die mit der grausamen Verbrennung der Nicht-Taufwilligen auf dem Scheiterhaufen geendet hatte.
Christliche "Hasspredigten" des Mittelalters und neue Gefahren des Antijudaismus
Dem schrecklichen Akt vorangegangen war – so die Theologen und Historiker Martin Jäggle (Präsident des christlich-jüdischen Koordinierungsausschusses), Birgit Wiedl, Eveline Brugger, Markus Himmelbauer, Wolfgang Treitler, Regina Polak, Agnethe Siquans und Regina Pollak bei einem kürzlich abgehaltenem Studientag an der Wiener Katholisch–Theologischen Fakultät – eine massive Ausbreitung antijüdischer Stereotype in der kirchlichen Verkündigung mithilfe einer theologischen Lehrtätigkeit, die zum Hass aufstachelte. Ähnliches hatte sich auch während der Kreuzzüge ereignet. In einer von Brigitte Krautgartner (ORF) moderierten Diskussion bei dem Studientag wurde herausgearbeitet, dass Antisemitismus eine aktuelle Gefahr geblieben ist und auch entscheidende theologische Antworten fordert. Die Pastoral sei gefordert, die bereits erzielten Einsichten in den Gemeinden wirklich zur Geltung zu bringen. Die Theologie wiederum müsse sich bemühen, die Diskrepanz zwischen einer nachkonziliaren Offenheit für das Judentum und einer mitunter problematischen Lehrtradition im Blick auf das Volk Israel zu überwinden.